Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

— 117 — [§23] 
und zu Reichstagen umgestaltet, aber an ihnen teilzunehmen, be¬ 
rechtigt nur die Reichstandschaft (vgl. § 24 a Anmerk.). Diese gehört 
zunächst allein den Landesfürsten. Jedoch hatten nicht nur sie auf 
den Reichstagen Sitz und Stimme, sondern seit der zweiten Hälfte 
des ausgehenden Mittelalters auch die Reichsstädte und die mächtigeren 
Mitglieder des bisherigen niederen Adels, unter denen sich verschiedene 
zur Würde und Stellung eines Grafen emporgeschwungen hatten. 
Wohl wurde 1495 in Worms der Ewige Landfriede proklamiert 
und zu seiner Aufrechterhaltung das Reichskammergericht eingesetzt, 
das zudem richten sollte über die Verletzung kaiserlicher Gebote, 
Streitigkeiten der Reichsunmittelbaren und der Reichsstädte, Klagen 
der Untertanen gegen ihre Landesherrn wegen Rechtsverletzung, auch 
unter bestimmten Bedingungen bei Zivil- und Strafsachen. Wohl 
war auch eine Reichskriegsversassung gegeben worden, die ihre Wurzel 
nicht im Lehnswesen hatte, sondern sich aus die Söldner, die Lands¬ 
knechte, stützte. Wohl schrieb der Reichstag hierfür eine Reichssteuer 
in Form des „gemeinen Pfennigs" aus, — aber die Zersetzung des 
Reiches war zu weit fortgeschritten, um von der kaiserlichen Gewalt 
noch eine Rettung erwarten zu lassen. Die Zersplitterung des 
Reiches ließ auch ein einheitliches Recht fehlen, die alten Volksrechte 
und die deutschen Gesetzbücher (Sachsenspiegel usw.) reichen nicht aus, 
so erfolgt denn am Ausgang des Mittelalters die Rezeption des 
Römischen Rechtes ($ 35 b). Wie gering die Reichsgewalt war, 
zeigen die Femgerichte, die auf westfälischer Erde entstanden und 
zwischen 1425 und 1450 ihren Höhepunkt erreichten. Ob ihre 
Wirksamkeit und tatsächliche Strafvollstreckung eine einigermaßen 
umfangreiche war, erscheint recht fraglich. Dies ist sicher, daß in 
dem Verfahren viel Ungerechtes und Schikanöses lag, daß sie durch 
ihre Geheimniskrämerei viel Schrecken in ganz Deutschland ver¬ 
breiteten aber auch viel Schaden gestiftet haben, zumal als das 
Freischöffenamt gegen Geld zu erwerben war. 
$ 23. Das -Landesfürstentum und der Absolutismus. 
a) Die Ausbildung des Landesstaates. Mit Beginn 
des 16. Jahrhunderts ist die Entwicklung des Landesfürstentums 
(88 21 b, 22 c) zu einer selbständigen Macht im großen ganzen be¬ 
endet. Bei ihm findet die Reformation einen Schutz, ihm fällt die 
Ausgabe zu, die Reichsritterschaft niederzuwerfen. Seit Auskommen 
der Feuerwaffen wird diese überflüssig, sie kann und mag sich nicht 
der neuen staatlichen Ordnung eingliedern. Mit Recht sind die 
Reichsritter als die Enterbten bezeichnet worden. Die Römerzüge 
der deutschen Kaiser hatten sie mit ihrem Blut erkauft und mit 
ritterlichem Glanze umgeben. Jetzt vermochte ihnen das Reichsober¬ 
haupt nicht zu helfen, die Städte sehen verächtlich auf das verarmte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.