Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

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. [§28] 
von den Einnahmen abhängen, verhält es sich bei der staatlichen 
Finanzwirtschaft umgekehrt: die unerläßlichen Ausgaben bestimmen 
auch die Höhe der Einnahmen. Bei den vielen wirtschaftlichen, 
sozialen und kulturellen Aufgaben, die der Staat selbst lösen oder 
an deren Lösung er sich beteiligen muß, vermag er sich nicht mit 
einem Minimum von Einnahmen zu begnügen, sondern ist gezwungen, 
gemäß der an ihn herantretenden, nicht abzuweisenden Forderungen 
auch seine Einnahmen entsprechend zu erhöhen. Die Unterlassung 
nötiger Ausgaben pflegt verhängnisvoll zu sein und verursacht für- 
später erhöhte Kosten. Den Abgaben an den Staat hastet der 
Zwang an; im Interesse des Gemeinwohls zwingt der Staat seine 
Untertanen dazu. Früher hatte man gemeint, die Abgaben seien 
nur eine Gegenleistung des einzelnen an den Staat für die von 
jenem empfangenen Vorteile: es liege nur ein Tausch, ein Äqui¬ 
valent vor (sog. Tausch-, auch Genuß-, Interessen-, Äquivalenz¬ 
theorie). Verwandt damit ist die Anschauung von der Versicherungs¬ 
prämie (Assekuranztheorie). All dem aber ist gegenüberzuhalten, daß 
der Gedanke des Tausches, selbst bei Annahme des Zwangstausches, 
und der Gedanke der Versicherung den Charakter einer privatrecht¬ 
lichen Abmachung tragen, die mit dem staatsrechtlichen Wesen der 
im Staat verkörperten Zwangsgemeinschaft nichts zu tun hat; darum 
herrscht heute die historische oder organische Theorie, daß nämlich die 
Auslage von Abgaben in der „absoluten Souveränität des mit 
schrankenloser Gewalt ausgestatteten Staates" liege. Die Gegen¬ 
leistungen des letzteren entsprechen aber nicht wie im Privatleben 
den Leistungen der Untertanen. Hier kann nur von einem generellen 
Entgelt die Rede sein, und es werden in der Hauptsache immaterielle, 
ideelle Werte gewährt, wie persönliche Sicherheit, geordnete Ver¬ 
waltung, Schutz des Rechts, des Erwerbs usw. Auch dürfen die 
Ausgaben nur für Dinge gemacht werden, die durch das Staats¬ 
interesse geboten sind. Der Privatmann kann ausgeben, wofür er 
will, auch wo er will, im In- oder Auslande. Der Staat dagegen 
soll seine Einnahmen nach Möglichkeit wieder den Untertanen in 
Form von Gehältern, Lieferungen usw. zu gute kommen lassen. Die 
Staatseinnahmen müssen auf das Volksvermögen von neuem Güter 
erzeugend (reproduktiv) wirken und eine befruchtende Rückwirkung 
entfalten, ohne die das ganze staatliche Steuerwesen schließlich als 
ein zur Verblutung führender Aderlaß sich erweisen würde. Jeden¬ 
falls aber bleibt die Finanzwirtschaft die Grundlage einer guten 
Staatswirtschaft. Finanz- und Wirtschaftspolitik müssen daher im 
Interesse der Gesamtheit in engster Wechselwirkung bleiben. 
d) Geschichte. Bis in das 19. Jahrhundert bestehen drei 
Arten von Finanzwirtschaft, die, in dieser Reihenfolge sich ent¬ 
wickelnd, mehr oder minder nebeneinander gehen. Schon bei Homer 
findet sich die Dominialwirtschaft. Der Herrscher betrachtet Staat 
und Grundbesitz als sein Eigentum, aus dem er sowohl die privaten
	        
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