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von den Einnahmen abhängen, verhält es sich bei der staatlichen
Finanzwirtschaft umgekehrt: die unerläßlichen Ausgaben bestimmen
auch die Höhe der Einnahmen. Bei den vielen wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Aufgaben, die der Staat selbst lösen oder
an deren Lösung er sich beteiligen muß, vermag er sich nicht mit
einem Minimum von Einnahmen zu begnügen, sondern ist gezwungen,
gemäß der an ihn herantretenden, nicht abzuweisenden Forderungen
auch seine Einnahmen entsprechend zu erhöhen. Die Unterlassung
nötiger Ausgaben pflegt verhängnisvoll zu sein und verursacht für-
später erhöhte Kosten. Den Abgaben an den Staat hastet der
Zwang an; im Interesse des Gemeinwohls zwingt der Staat seine
Untertanen dazu. Früher hatte man gemeint, die Abgaben seien
nur eine Gegenleistung des einzelnen an den Staat für die von
jenem empfangenen Vorteile: es liege nur ein Tausch, ein Äqui¬
valent vor (sog. Tausch-, auch Genuß-, Interessen-, Äquivalenz¬
theorie). Verwandt damit ist die Anschauung von der Versicherungs¬
prämie (Assekuranztheorie). All dem aber ist gegenüberzuhalten, daß
der Gedanke des Tausches, selbst bei Annahme des Zwangstausches,
und der Gedanke der Versicherung den Charakter einer privatrecht¬
lichen Abmachung tragen, die mit dem staatsrechtlichen Wesen der
im Staat verkörperten Zwangsgemeinschaft nichts zu tun hat; darum
herrscht heute die historische oder organische Theorie, daß nämlich die
Auslage von Abgaben in der „absoluten Souveränität des mit
schrankenloser Gewalt ausgestatteten Staates" liege. Die Gegen¬
leistungen des letzteren entsprechen aber nicht wie im Privatleben
den Leistungen der Untertanen. Hier kann nur von einem generellen
Entgelt die Rede sein, und es werden in der Hauptsache immaterielle,
ideelle Werte gewährt, wie persönliche Sicherheit, geordnete Ver¬
waltung, Schutz des Rechts, des Erwerbs usw. Auch dürfen die
Ausgaben nur für Dinge gemacht werden, die durch das Staats¬
interesse geboten sind. Der Privatmann kann ausgeben, wofür er
will, auch wo er will, im In- oder Auslande. Der Staat dagegen
soll seine Einnahmen nach Möglichkeit wieder den Untertanen in
Form von Gehältern, Lieferungen usw. zu gute kommen lassen. Die
Staatseinnahmen müssen auf das Volksvermögen von neuem Güter
erzeugend (reproduktiv) wirken und eine befruchtende Rückwirkung
entfalten, ohne die das ganze staatliche Steuerwesen schließlich als
ein zur Verblutung führender Aderlaß sich erweisen würde. Jeden¬
falls aber bleibt die Finanzwirtschaft die Grundlage einer guten
Staatswirtschaft. Finanz- und Wirtschaftspolitik müssen daher im
Interesse der Gesamtheit in engster Wechselwirkung bleiben.
d) Geschichte. Bis in das 19. Jahrhundert bestehen drei
Arten von Finanzwirtschaft, die, in dieser Reihenfolge sich ent¬
wickelnd, mehr oder minder nebeneinander gehen. Schon bei Homer
findet sich die Dominialwirtschaft. Der Herrscher betrachtet Staat
und Grundbesitz als sein Eigentum, aus dem er sowohl die privaten