Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

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[§4] 
ZU Haustieren hätte machen können, sind es noch nicht 50 wirklich 
geworden. Mit der bei den vorderasiatischen Stämmen schon früh¬ 
zeitig geübten Rindviehzucht konnte nun auch der eigentliche Ackerbau 
sich entwickeln, der den Acker mit dem Pfluge tiefer grub, ihn 
düngte, teilweise auch bewässerte. Die Viehzucht mußte erst eine 
gewisse Höhe erreichen, ehe das Nomadentum und die Hirtenvölker 
entstehen. Zum Nomadisieren, d. h. zum Viehzuchttreiben im Umher¬ 
wandern, sind Ziegen und Schafe, auch Pferde und Kamele geeignet, 
es ist nur möglich in der Nähe von Ländern höherer Kultur, auf 
deren Erzeugnisse der Nomade angewiesen ist. Das Rind erweist 
sich weniger brauchbar für häufiges und rasches Wandern; es wird 
darum auch mehr von den wohl von Zeit zu Zeit die Weideplätze 
wechselnden, in der Hauptsache aber als seßhaft zu bezeichnenden 
Hirtenvölkern gezogen, während sich der Nomade immer noch nicht 
zu einem dauernden Wohnsitz entschließen kann (vgl. § 38 b). 
Der Hackfruchtbau hat wesentlich zur Ausbildung der Groß- 
samilie beigetragen. Von einer Arbeitsteilung ist hier zunächst nur 
in persönlicher, erst später in beruflicher Hinsicht die Rede 13 a, 
14 c). Dieser auf die Nahrungsbereitung gerichteten Arbeitsteilung 
in der Familie folgte eine andere, aus der zunächst die Priester, 
Krieger und Häuptinge, später die Händler hervorgingen. Sodann 
schieden sich die Gewerbe von der Haus- und Landwirtschaft und 
noch später trennten sich die sog. liberalen Berufe, wie die des 
Beamten, Lehrers, Gelehrten, Arztes, Künstlers. Die Arbeitsteilung 
hat nicht nur die Sonderung der Berufe, sondern auch die der 
Klassen bewirkt, wenngleich zur Bildung dieser auch Rasse, Erziehung, 
Eigentum und manches andere beitrugen. Verwandtschaft, Orts¬ 
angehörigkeit, Beruf, Arbeit, Besitz, Bildung, besondere Rechte 
pflegen in ihrer Gesamtheit oder einzeln das Kennzeichen der 
Stände bezw. Klassen zu sein. Nicht selten ist auch die kriegerische 
Eroberung ein solches, es sei nur der Beherrschung Italiens durch 
die Ostgoten gedacht. In den Ständen und Berufen bildet sich 
eine bestimmte Standes- und Berufsehre: die gleichen Tätigkeits¬ 
und Lebenskreise, dieselben Anschauungen und Sitten, das Heiraten 
und Verschwägern untereinander pflegen auf Körper und Geist der 
Einzelindividuen einzuwirken, und durch Anpassung und Vererbung, 
Erziehung und Milieu ganz bestimmte Berufs- und Standestypen 
zu schaffen, die an Aussehen, Verhalten und Charakter mehr oder 
minder l-eicht erkennbar sind. Bei weiterer Ausdehnung der Berufe 
und Klassen kommt als neu beeinflussende Macht das geschichtliche 
Werden hinzu. Aus den Priestern, Kriegern und Häuptlingen 
bildet sich eine geistliche und weltliche Aristokratie, der letzteren ge¬ 
hören auch die Händler an. Ihr gegenüber steht die an Zahl weit 
überlegene mechanisch dienende Masse, nämlich die Sklaven, die 
Leibeigenen, die freien Arbeiter. Die verschiedenen sich hieraus er¬
	        
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