Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

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[§ 12] 
Rechtsprechung und Verwaltung zu schaffen. Damit will sie für 
die Zustände und Tatsachen des staatlichen und gesellschaftlichen 
Lebens, zumal wenn sie eine verschiedenartige Auffassung und Be¬ 
handlung erfahren oder erfahren können, Grundsätze festlegen, den 
Umständen nach jedoch in einer solchen Form, die eine gewisse An¬ 
passungsfähigkeit und Freiheit besitzt. So gewährt z. B. das Straf¬ 
recht bei Gewährung mildernder Umstände und bei Bemessen der 
Strafe, das bürgerliche Recht durch Geltenlassen von Billigkeils¬ 
gründen, das Steuerrecht durch Zulassung von Ermäßigungen, dem 
Entscheidenden einen gewissen Spielraum. Oder man hat, wie bei 
den Unternehmungen (§ 15b), eine Reihe von Rechtsformen gegeben, 
welche den verschiedenen Bedürfnissen der Gütererzeugung und des 
Güterverbrauchs entgegenkommen. Durch die Einwirkung auf das 
gesellschaftliche Leben kommt der Rechtsprechungspolitik, besonders 
aber der Gesetzgebungspolitik ein mehr oder minder beabsichtigter 
sozialer Charakter zu. 
Umfassend ist das Gebiet der Verwaltung: ihr fällt, wie man 
gesagt hat, alles zu, was nicht Rechtsprechung und Gesetzgebung ist. 
Sechs große Gruppen lassen sich im allgemeinen scheiden: die aus¬ 
wärtigen, Kirchen-, Kriegs-, Finanz-, Rechts- und inneren Angelegen¬ 
heiten. Die äußeren Angelegenheiten, d. h. das Verhältnis zu den 
auswärtigen Staaten, ist Gegenstand der sog. hohen Politik oder der 
Politik schlechthin. Die Diplomaten verfolgen die „äußere Lage" 
und vertreten die Interessen des Heimatlandes. Die hohe Politik 
besaßt sich auch mit den Heeres- und Marineangelegenheiten und 
der wirtschaftlichen Lage des Auslandes; auch ist damit die Kolonial¬ 
politik verknüpft. Die Kirchenpolitik regelt das Verhältnis zu den 
verschiedenen Kirchengemeinschaften und das geistige Wohl der 
Untertanen. Die Heeres- und Flottenpolitik sorgt sür die Kriegs¬ 
bereitschaft, die Finanzpolitik für die Beschaffung der nötigen Gelder 
und für die Währung, die Rechtspolitik sür den Schutz des 
einzelnen und der Gesamtheit vor Eingriffen in ihre Rechte. Die 
innere Politik schließt drei große Gruppen ein, die Bildungs-, 
Wohlsahrts- und Volkswirtschaftspolitik. Die Bildungspolitik be¬ 
saßt sich mit der Schulpolitik, der Pflege der Wissenschaften und 
Künste, sowie der Volksbildung. Die Wohlfahrtspolitik hat zum 
Gegenstand den Schutz der Untertanen, wie er hauptsächlich von 
der Polizei ausgeübt wird, das Gesundheitswesen, das Versicherungs¬ 
wesen, die Kreditförderung der wirtschaftlich Schwachen, das Armen¬ 
wesen, die helfende und unterstützende Liebestätigkeit. Die Volks¬ 
wirtschaftspolitik regelt das gewaltige Gebiet der Landwirtschafts- 
und Forstpolitik, der Fischerei-, Bergbau-, Gewerbe-, Handels-, 
Bank-, Verkehrs- und Bevölkerungspolitik, aber auch die Boden- und 
Eigentumspolitik u. a. m. Doch ist bei diesen vielen Arten der 
Politik oft ein mehrfacher Zweck verbunden, z. B. will die Finanz¬ 
politik durch Steuern und Zölle besondere Zweige der nationalen
	        
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