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durch seine Gegenzeichnung nur die Verantwortlichkeit dafür, daß
das Gesetz recht verkündigt ist.
3. Der Kaiser überwacht die Ausführung der Reichsgesetze.
Gr. hat die Anordnungen und Verfügungen im Namen des
Reiches zu erlassen. Er hat den Reichskanzler und die Reichs¬
beamten zu ernennen und zu entlassen.
Er hat ferner den Bundesrat und den Reichstag zu berufen,
zu eröffnen und zu schließen. Auch kann er in Übereinstimmung
mit dem Bundesrat den Reichstag auflösen.
DieBeschlüsse des Bundesrats, die der Zustimmung des Kaisers
bedürfen, werden dem Reichstage im Namen des Kaisers vorgelegt.
4. Der Kaiser hat den Oberbefehl über die gesamte Land-
und Seemacht des Reiches in Frieden und Krieg zu führen.
Bayern hat das Sonderrecht, daß es nur im Kriege feine Truppen
unter den Oberbefehl des Kaisers stellt.
Der Kaiser bestimmt die Präsenzstärke des Heeres.
Die Verwaltung des Landheeres hat der Kaiser nicht,
die liegt in den Händen der Bundesstaaten. Die Höchst¬
kommandierenden, die Festungskommandanten werden vom Kaiser
ernannt, und haben ihm den Fahneneid zu leisten. Der Kaiser hat
die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß alle Truppenteile voll¬
zählig sind und daß in Bewaffnung, Kommando, Formationen
Einheit herrscht. Durch Inspektionen kann er sich jederzeit von
dem Stande überzeugen, und Abstellung der Mängel anordnen.
So gelingt es, die Einheitlichkeit und Schlagfertigkeit des
deutschen Heeres zu sichern.
5. Ferner steht dem Kaiser allein der Oberbefehl über die
Kriegsmarine zu. Hier hat er auch die Verwaltung. Das hat
seinen Grund darin, daß bei Gründung des Norddeutschen
Bundes Preußen allein eine Kriegsmarine besaß.
6. Der Kaiser hat im Namen des Reiches die Staatsgewalt
in den Reichslanden Elsaß-Lothringen und in den Schutzgebieten.
7. Der Kaiser besitzt das Begnadigungsrecht in reichs¬
gerichtlichen Entscheidungen.
33.: Kaiser Wilhelm II. und die Lohnarbeiter.
44. Der Reichskanzler.
Wie heißt der gegenwärtige Reichskanzler? Welches war der
erste Kanzler des neuen Deutschen Reiches, dessen kraftvollem
Wirken wir die Einigung der deutschen Stämme verdanken?
Der Reichskanzler ist der erste und oberste Beamte des
Deutschen Reiches. Er wird vom Kaiser berufen, kann auch von ihm
entlassen werden, wie er andererseits auch selbst seine Entlassung
nehmen kann, wenn in der Regierung Sachen zur Durchführung
gelangen, denen er nach seiner Überzeugung als segenbringend und
für unser Vaterland nicht zustimmen kann, oder wenn er fühlt,
daß er das Vertrauen des Herrschers nicht mehr besitzt.