106
Freiheit verbürgt, die er als Vertreter seines Staatsoberhauptes
genießen muß. Seine Beleidigung führt, wenn nicht ausreichende
Genugtuung gegeben wird, oft zu schweren Streitigkeiten, wie das
Beispiel ln China zeigt. Seine Person ist unverletzlich, ebenso
die der Gesandtschaft zugehörigen Personen, die Wohnung gilt
als dein Heimatlande des Gesandten zugehöriges Gebiet und
darf ohne Genehmigung des Gesandten von keiner Gerichts-,
Polizei- oder Amtsperson zur Vornahme einer Amtshandlung
betreten werden. Sein amtliches Eigentum ist unverletzlich. Von
den persönlichen Abgaben und Steuern ist er frei.
Die Gesandten können auch Urkunden amtlich beglaubigen,
Pässe ausstellen, und mit besonderer Genehmigung des Reichs¬
kanzlers Eheschließungen vornehmen und Standesregister für-
deutsche Reichsangehörige führen.
Auf dem Gebiete des Handels wird das Deutsche Reich be¬
sonders durch Konsuln vertreten. Solange unser Vaterland
unter arger Zersplitterung seufzte, lag auch das Konsulatswesen
sehr im argen. Mit der wiedererwachenden und wachsenden
Kraft trat auch hier ein bedeutender Aufschwung ein. Früher
waren die Vorsteher der Handelsniederlassungen im Auslande
meist auch die Konsuln. Seit dem vorigen Jahrhundert stellt
man berufsmäßig ausgebildete Konsuln an. In dem deutschen
Konsulatsgefetz von 1867 wird ihnen die Aufgabe gestellt, „das
Interesse des Reichs, namentlich in bezug auf Handel, Verkehr und
Schiffahrt, tunlichst zu schützen und zu fördern, die Beobachtung
der Staatsverträge zu überwachen und den im Auslande befind¬
lichen Deutschen sowie den Angehörigen befreundeter Staaten
(Schutzgenossen) in ihren Angelegenheiten Rat und Beistand zu
gewähren." Daher führen sie Namensverzeichnisse (Matrikeln)
deutscher Staatsangehöriger und ermöglichen ihnen durch Ein¬
tragung in dieselben, ihre Staatsangehörigkeit aufrechtzuerhalten.
Sie haben ähnliche Rechte wie die Gesandten. Besonders üben sie
über die deutschen Schiffe, die in ihrem Amtsbereich sich aufhalten, die
Schiffahrtspolizei aus. Darum müssen sich die Kapitäne der Heimat¬
schiffe nach der Ankunft und vor der Abfahrt bei ihnen melden.
In wenig zivilisierten Ländern ist der Konsul zugleich auch
der Richter über Deutsche und Schutzgenossen, in Zivil- und Straf¬
sachen (kein Schwurgericht), in Konkurssachen und in freiwilliger
Gerichtsbarkeit. Ist der Streitgegenstand weniger wichtig, so ent¬
scheidet der Konsul allein, bei schwereren Sachen wird ein Kon¬
sulargericht gebildet, welches besteht aus dem Konsul als Vor¬
sitzenden und zwei bis vier Beisitzern. Gegen die Entscheidung
kann man Beschwerde oder Berufung beim Reichsgericht einlegen.
Der Anstellung nach gibt es Wahlkonsuln (Ehrenamt) und
Berufskonsuln. Letztere sind fest angestellt und haben juristische
Bildung, die ersteren sind meist Kaufleute. Mehrere Konsulate
werden von einem Generalkonsul beaufsichtigt. An kleinen
Handelsplätzen sind Vizekonsuln oder auch Konsularagenten.