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sind die edlen Stützen eines christlichen Hauses und bilden
den innersten Kern eines tatkräftigen, lebensfähigen und glück¬
lichen Volkes. Nach I. Müllensiefen.
6. Die Deutsche Familie im Altertum.
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schildert uns das
Leben unserer Vorfahren mit großer Liebe und Anschaulichkeit.
Der hellste Punkt in seiner Schilderung ist der des germanischen '
Familienlebens. ..Streng ist dort die Ehe. und keine Seite ihrer
Kultur verdient mehr gerühmt zu werden. Sehr selten, trotz der
großen Menge des Volkes, ist der Ehebruch. Niemand lacht dort
über das Laster. Gute Sitte wirkt dort mehr als anderswo gute
Gesetze."
Auffallend war den Römern die Hochachtung des Germanen
vor der Frau. „Man glaubt, daß ihnen etwas Heiliges und
Seherisches innewohne, man hört auf ihre Ratschläge und ver¬
achtet ihre Sprüche nicht." Man weiß von mehreren Weibern
zur Römerzeit, die als Seherinnen in die Geschicke des Volkes
eingegriffen haben. Am bekanntesten ist jene Veleda, die iin
Kriege 70 n. Chr. ihre Ratschläge und Weissagungen gab. Den
Römern erschien sie so gefährlich, daß sie sie gefangen setzten.
Die Frauen zogen öfters mit ihren Männern in den Kampf und
feuerten sie zum Kampfe an. Daß sie selbst mitgekämpft haben,
ist eine Ausnahme. Sie hielten sich hinter der Front auf. um die
Verwundeten zu verbinden, die Wankenden zu ermutigen. Um
nicht in schmachvolle römische Knechtschaft zu fallen, haben sich die
Teutonenweiber in einer Nacht erhängt.
Tatsache ist, daß die Frauen im Mittelalter ihren Männern
in der Bildung überlegen waren.
Was nun die rechtliche Stellung der Frau zum Manne betraf, so
war sie ihm untergeordnet. Der Germane lebte im allgemeinen in
der Einehe. Tacitus sagt: „Sie sind die einzigen Barbaren, die
sich mit einer Frau begnügen." Die eheliche Treue mußte unter
jeder Bedingung gehalten werden. Jedoch galten diese strengen
Sitten nur für die Frau, nicht für den Mann. Die Strafen für Ehe¬
bruch waren grausam: Entblößt und mit abgeschnittenen Haaren
trieb sie der Mann aus dem Hause und jagte sie mit Streichen
durch das ganze Dorf. Einen neuen Mann erhielt eine solche
Ehebrecherin nicht wieder. Oder: Wenn ein Mädchen sich ver¬
geht, so kann man sie nötigen, sich selbst zu erhängen, und hängt
dann über ihrem Grabe den Verführer auf. Oder: es versammelt
sich ein Weiberheer, reißt ihr die Kleider ab und treibt sie mit
Hieben und Messerstichen von Hof zu Hof, bis sie tot oder halbtot
liegen bleibt. Tötung ist dem Manne erlaubt, wenn er die Schul¬
digen auf frischer Tat ergreift.