Full text: Staats- und Bürgerkunde

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ist fein Wunder. Aber kaum begannen bessere Zustände, kaum 
bedeckten sich die Felder wieder mit Saaten, da brausten die Treib¬ 
jagden der Großen darüber hin, und die Bauern mußten dabei 
als Treiber helfen. Das Wild vernichtete vielfach die Früchte des 
Feldes. Der Bauer durfte es nicht töten. Diese Wildschäden er¬ 
setzte ihm keiner. Wenn er ein Tier tötete, so hatte er die härtesten 
Strafen zu erwarten. 
Die Lage des Bauernstandes blieb auch in der Zukunft eine 
traurige. Er unterstand seinem Gutsherrn nicht bloß wirtschaftlich, 
sondern auch rechtlich. Er war mit seiner Person an das Gut, 
an die Scholle, auf der er geboren war, gebunden. Seine Binder 
durften nicht ohne Erlaubnis des Gutsherrn in fremde Dienste 
ziehen, seine Töchter nicht ohne Wissen und Willen des Gutsherrn 
sich verheiraten. Wollte der hörige Bauer frei werden, so mußte 
er sich loskaufen. Die billigsten Loskäufe waren für 46—75 Mk. 
Auf einigen Gütern zahlte der Knecht 300 Mk., die Magd 240 Mk. 
für die Freiheit. Das Ersparte ging oft auf diesem Wege wieder 
in die Tasche des Gutsherrn. 
Unsere preußischen Könige richteten ihre Hauptsorge auf die 
Erleichterung der Lage unserer Bauern. 
Friedrich Wilhelm l., dessen Ideal eines deutschen Fürsten 
war: „Guter Soldat, guter Wirt, guter Christ", richtete sein Augen¬ 
merk auf die Verbesserung. Er verbot den Beamten, sich von den 
Bauern fahren zu lassen oder sie durch Stockschläge zu strafen. 
Im Wiederholungsfälle solle der Übeltäter sechs Wochen Festung 
haben und wenn das nicht hülfe, gehängt werden. 
Friedrich der Große hob auf den Krongütern die Leibeigen¬ 
schaft auf. Er hielt streng auf menschenwürdige Behandlung der 
Bauern. Wer einen Bauern mit dem Stocke geschlagen, der solle 
sechs Jahre auf Festung. Und Friedrich war der Mann, seine 
Drohung auch auszuführen: Die Gemahlin des Grafen Geßler, des 
Obersten des Bayreuther Dragonerregiments, erhielt eine Festungs- 
strafe von sechs Jahren. 
Es war dem Könige zwar nicht möglich, auch die Bauern 
der Rittergüter zu befreien, doch erleichterte er ihre Lage, indem 
er verordnete, „daß der Bauer jetzo die ganze Woche hindurch 
dienen muß, derselbe die Woche über nicht mehr als drei oder 
vier Tage zu Hofe dienen dürfe." 
Langsam wurden die Verhältnisse bessere. Die Vollendung 
der Befreiung blieb Friedrich Wilhelm III. vorbehalten. Das 
furchtbare Unglück, das 1806 über Preußen hereingebrochen war, 
forderte eine vollständige Umgestaltung des ganzen Staatswesens 
an Haupt und Gliedern. Das riesige Reformwerk, welches der 
Minister von Stein gleich im Jahre 1807 in die Wege leitete 
begann mit der Schaffung eines freien Bauernstandes. 
Das Gesetz datiert vom 9. Oktober 1807. Darin ordnet Friedrich 
Wilhelm III. an: Von Martini 1810 ist jede Art von Leibeigen¬ 
schaft, Erb- unb Gutsuntertänigkeit aufgehoben. Der Bauer er¬ 
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