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Verkündung, oder wenn der Angeklagte abwesend war, nach Zu¬
stellung des Urteils bei dem Amtsgericht schriftlich oder mündlich
angemeldet werden. Ist dieser einzigen Bedingung, der Wahrung
der Frist, genügt, so findet eine Berufungsverhandlung vor der
Strafkammer statt. Die ganze Sache wird völlig neu verhandelt,
es können neue Tatsachen und neues Beweismaterial vorgebracht
werden. Wesentlich für den Angeklagten ist die Bestimmung, daß,
wenn er Berufung einlegt, das Berufungsgericht auf keine höhere
Strafe als das erste Gericht erkennen darf. Nur wenn der Staats¬
anwalt zuungunsten des Angeklagten Berufung einlegt, kann die
Strafe erhöht werden. Leider ist die R e v i s i o n kein so treff¬
liches Rechtsmittel wie die Berufung. Sie richtet sich gegen die
Urteile derStrafkammern und Schwurgerichte. Ihr
wesentlicher Unterschied gegen die Berufung ist, daß nun nicht
nod) einmal die Tatsachen geprüft werden, sondern blos; untersucht
wird, ob bei der ersten Verhandlung oder bei der Urteilsfällung
irgendeine gesetzliche Vorschrift verletzt worden ist. Nur wenn
das erwiesen wird, findet eine Aufhebung des angefochtenen Ur¬
teils statt und die Ansetzung einer neuen Verhandlung vor dem
ersten Gericht. In der Revisionsschrift müssen die nötigen An¬
träge, auf die die Revision sich stützt, gestellt und begründet wer¬
den. Der Revisionsantrag selbst ist binnen einer Woche nach Ur-
teilsfällung, die Berufung binnen zweier Wochen nach Urteils¬
zustellung schriftlich einzureichen.
Das Revisionsgericht ist in den Revisionen gegen die von den
Schwurgerichten und den Strafkammern als erster Instanz ge¬
fällten Urteile das Reichsgericht in Leipzig. Für Revisionen gegen
die von den Strafkammern als Berufungsinstanz gefällten Urteile
sind die Oberlandesgerichte zuständig, für ganz Preußen bei Ur¬
teilen auf Grund preußischer Landesgesetze das preußische Kammer-
gericht in Berlin, von dessen Ruhm die bekannte Antwort des
Müllers an den Großen Fritz Kunde gibt.
Ich sagte oben, daß leider die Revision an Wert hinter
der Berufung zurückstehe. Es ist nämlich sehr leicht einzusehen,
daß Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften bei der Tüchtigkeit
unserer Richter sehr selten vorkommen. Infolgedessen haben Revi¬
sionen nur selten Erfolg. Also gerade bei den schwereren Ver¬
gehen und den Verbrechen, wo es sich um viel wichtigere Dinge
handelt als vor den Schöffengerichten, ist eine Nachprüfung der
Tatsachen durch eine neue Verhandlung schwer zu erreichen.
Das ist natürlich im Interesse einer sicheren Rechtsprechung
sehr zu bedauern. Zurzeit wird ein neues, deutsches Strafrecht
vorbereitet. Darin werden wir dann hoffentlich auch die Be¬
rufung für alle Urteile erhalten, so daß stets zwei Instanzen ge¬
sichert find, zu denen als Notbehelf noch die Revision als dritte
bleibt.
(£. Köhrer.