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6) die Ochlokratie (Pöbelherrschaft), wo die Herrschaft 
an den besitzlosen, rohen und unruhigen Teil des Volkes 
übergegangen ist: die Schreckensherrschaft in Frankreich; 
e) die st ä n d i s ch e R ep u b lik, wo die Vertreter der Stände 
die Regierung führen: die Republik der vereinigten Nie¬ 
derlande; 
f) die konstitutionelle (verfassungsmäßige, re¬ 
präsentative) Republik, wo die Regierung durch 
die gewählten Vertreter des Volkes geleitet oder doch stark 
beeinflußt wird: jetzt in Frankreich, der Schweiz und den 
Vereinigten Staaten. 
Als wesentlicher Unterschied zwischen den Republiken 
des Altertums und denen der Neuzeit ist zu beachten, daß 
dort neben den freien Bürgern eine große Masse völlig recht¬ 
loser Sklaven vorhanden war, und daß dort nur die persönlich 
erscheinenden Bürger an der Abstimmung teilnehmen konnten, 
eine Vertretung unbekannt war. 
Auch in der Republik steht gewöhnlich einer, der Prä¬ 
sident (Archont, Konsul, regierender Bürgermeister), an der 
Spitze, aber diese Stellung ist ihm meist nur auf kurze Zeit und 
mit geringer Machtbefugnis übertragen. 
5. Die Theokratie wurde verwirklicht in dem alten 
Ägypten, dem alten israelitischen Reich, dem preußischen Ordens¬ 
staat, den geistlichen Fürstentümern und dem pästlichen Kirchen¬ 
staate. 
Letzterer ist auch, seitdem er kein weltliches Gebiet mehr 
hat, seinem Wesen und Anspruch nach völlig selbständig (sou¬ 
verän) geblieben. Das Papsttum, das an Christi Statt 
regiert, ist eine Wahlmonarchie, die im Mittelalter zuerst durch 
den Adel von Rom und den römischen Kaiser, dann durch eine 
Aristokratie der Kardinäle beschränkt wurde; allmählich wurde 
sie zu einer unbeschränkten, absoluten Monarchie, die 1870 in 
der „Unfehlbarkeit" ihren Ausdruck fand. 
§ 6. Vergleich und Würdigung der Staatsformen. 
1. Wie die Geschichte ergiebt, hat jede dieser Staat s- 
sormen ihre Vorzüge und ihre Nachteile; man denke 
z. B. an die Nachteile der Wahlmonarchie im alten deutschen 
Reiche und in Polen, an die Vorzüge und Schattenseiten der 
athenischen Demokratie. Es giebt keine absolut (in jeder Be¬ 
ziehung) beste oder vernünftigste Staatsform, sondern die Ver¬ 
fassungen entwickeln und ändern sich im Laufe der Geschichte je 
nach deü wirtschaftlichen Bedingungen, den Besitz- und Kultur¬ 
verhältnissen, der politischen Lage, den Neigungen und Idealen
	        
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