I. Staat und Verfassungen im allgemeinen.
1. Entstehung und Zweck des Staates.
Der Staat ist die selbständige, dauernde Gemeinschaft einer größeren
Anzahl von Menschen, die unter einer höchsten Gewalt und nach fester
Ordnung gebildet ist.
Die Wurzel des Staates ist das Geschlecht, die Verbindung einer
Anzahl von Familien von gemeinsamer Abstammung. Durch Zusammen¬
schluß von Geschlechtern, mag er freiwillig zu gegenseitiger Hilfeleistung
oder durch den Zwang eines oder mehrerer körperlich und geistig hervor¬
ragender Menschen herbeigeführt sein, sind die ältesten Staaten entstanden.
Gemeinsame Sprache und Sitte sind die Kennzeichen des nationalen
Staates.
Der Zweck des Staates ist die Sicherung gegen äußere Feinde und
das Wohl der Gesamtheit wie des Einzelnen, das durch den Schutz des
Rechtes sowie durch die Pflege der wirtschaftlichen und geistigen Interessen
gefördert wird. Die staatliche Tätigkeit äußert sich auf dem Wege der
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung.
Bei Nomadenvölkern kann von einer festen Staatsordnung nicht die
Rede sein; erst die durch geregelten Ackerbau ermöglichte Seßhaftigkeit,
das Bedürfnis eines Schutzes für das Eigentum und die Früchte der
Arbeit führte zur Bildung von Staaten (vgl. Schillers Eleusisches Fest).
Die ältesten Kulturstaaten sind da entstanden, wo die Natur den Ackerbau
begünstigte (Ägypten, Mesopotamien, China).
2. Die Berfafsungsformen.
Die Geschichte zeigt uns die verschiedensten Formen der Staatsver¬
fassung. Die älteste geschichtlich bezeugte Form ist das patriarchalische
Königtum, welches wir bei dein Volke Israel, in der homerischen Zeit
bei den Griechen und bei einem Teile der alten Germanen finden. Der
König ist das Haupt eines bevorzugten Geschlechtes; er herrscht kraft der
Überlieferung und seines Ansehens, das sich aus großen Grundbesitz, Tapfer¬
keit im Kriege und Klugheit im Rate gründet. Dieses Königtum trägt
zugleich einen theokratischen Charakter: das Königsgeschlecht führt sich auf