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Das Fleisch und die übrigen von dem zahmen Tiere stammenden
Nahrungsmittel erfordern nicht nur weniger Boden, sondern auch
weniger Arbeit als das Wildfleisch. Weniger Boden brauchen sie
deshalb, weil die Gräser und Kräuter der Weideplätze dicht beisammen
stehen und das zahme Vieh sich nicht so viel bewegt als das Wild und
daher weniger Futter braucht. Weniger Arbeit braucht das zahme
Vieh deshalb, weil ein einziger Hirt genügt, um eine große Herde
zu bewachen, und weil auch die Schlachtung viel weniger Arbeit er¬
fordert als das Erlegen der wilden Tiere. Darum sind die Hirten¬
völker Zahlreicher als die Jägervölker. Auch verfügen sie über mehr
Mutze. Hierdurch kommt es, datz sie kultivierter sind. Es ist bekannt,
datz die Hirten Musik und Dichtkunst pflegen (Schäferlieder und
-spiele).
Die ackerbautreibenden Völker sind noch zahlreicher als die Hirten¬
völker, weil die pflanzlichen Nahrungsmittel erheblich weniger Boden
erfordern als die tierischen. Daher wohnen bei den ackerbautreibenden
Völkern die Menschen noch dichter beisammen. Hierdurch wird ihre
Arbeit ergiebiger. Während bei Jägern und Hirten jeder einzelne
alle Arbeit verrichten mutz, die zu seinem Unterhalte erforderlich ist,
entwickelt sich bei den Ackerbauern eine Teilung der Arbeit. Die
einen verfertigen Kleider, die anderen Schuhe, wieder andere errichten
menschliche Wohnungen, noch andere sind Schmiede, Töpfer usw.
Durch die Übung erlangen alle diese Handwerker eine große Fertigkeit
in ihrem Berufe. Auch bildet sich der Geschmack. Es entstehen die
Anfänge darstellender Kunst. Die weitere Folge der größeren Er¬
giebigkeit der Arbeit ist die größere Mutze, die den einzelnen in den
Stand setzt, an seiner und seiner Mitmenschen Bildung zu arbeiten.
! Allerdings erfordern die Nahrungsmittel der ackerbautreibenden
Völker mehr Arbeit, als die Nahrungsmittel der Hirten. Aber dieser
Umstand, der ihre Mutze beeinträchtigt, wird durch die Vorteile des
dichteren Zusammenwohnens und die sich daraus ergebende Steige¬
rung der Ergiebigkeit der Arbeit mehr als ausgeglichen.
Noch ergiebiger wird die Arbeit in späterer Zeit durch die Anlage
von großen Betrieben. Hier tritt zur Arbeitsteilung die Arbeitsver¬
einigung. Alle die Menschen, die in einer Werkstatt oder Fabrik
tätig sind, arbeiten sich gegenseitig in die Hände. Ein einheitlicher
Wille leitet ihre gesamte Tätigkeit. Jeder leistet eine Teilarbeit und
gelangt in ihr zur höchsten Leistungsfähigkeit. Hierdurch wird die
Ergiebigkeit der Arbeit mächtig gesteigert. Noch mehr geschieht dies
durch die zahlreichen Erfindungen, die der menschliche Geist im Laufe