Full text: Bürgerkunde (Teil 2)

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Kunst- 
gewerbe. 
Betriebe für Reparaturen sowie eigene Werkstätten für einzelne 
Teile der Fahrräder, wie Speichen, Gummireife, Laternen usw. 
Aus einem Arbeitsfeld aber wird die Maschine das Hand¬ 
werk nicht verdrängen können; dies Feld muß dem Handwerk daher 
für alle Zeit erhalten bleiben, wenn die Handwerker verstehen, es 
zu bebauen. Die folgende Erzählung soll uns darauf hinführen: 
Ein Fürst ließ auf einer schönen Insel ein Schloß bauen. Viele 
fleißige Hände waren dabei beschäftigt. Alles im Schlosse sollte das Auge 
des Fürsten erfreuen. Auf seinen Wunsch trafen sich dort unter andern 
zwei Männer, die einander feindlich gesinnt waren. Sie hießen mit den 
Vornamen Raphael und Siegfried. Einer war dem andern bisher aus 
dem Wege gegängelt. Jeder hielt sich für wichtiger. Der Fürst hatte dies 
tvohl gemerkt; er nannte sie spaßhaft „die feindlichen Brüder". Der heitere 
Raphael war höflicher, feiner, liebenswürdiger als der ernste Siegfried, 
dieser aber sicher der stärkere. Ersterer interessierte sich besonders für die 
Schönheiten der Natur; das Blatt einer Pflanze, deren Blüte und Frucht, 
ein Schmetterling konnte seine Aufmerksamkeit fesseln. Besonders geril 
sprach er non der Farbenharmonie. In allen: suchte er „Stimmung". — 
„Stimmling" empfand Siegfried weder am Seeufer, noch im Walde. Er¬ 
ich alt Raphael einen „phantastischen Schwärmer", was dieser gerne mit 
„plumper Geselle" quittierte. Raphael sah mit Geringschätzung ans Sieg¬ 
frieds Arbeit, wodurch sich dieser gekrällkt fühlte. 
Der Fürst hatte beide lieb, denn jeder war tüchtig und fleißig in 
seinem Fache. Er wollte die „feindlichen Brüder" versöhnen. Zu diesem 
Zwecke stellte er beiden gleiche Ausgaben: Jeder sollte eines der beiden 
Haupttore des Schloßhofes nach den Wünschen des Fürsten herstellen. 
Jeder schaffte, probierte — doch keiner genügte den Forderungell des Ban- 
herrn. Siegfried fehlte die Phantasie uild die „Stimmung", Raphael die 
Handgeschicklichkeit. Uild doch hätte jeder so gern das Lob des Fürsten 
geerntet, um so dem andern zeigeil zu können: „Sieh, ich bin der Größere!" 
Da sprach der Fürst zu beiden: „Ihr seht, daß jedeiil gerade das Geschick 
des andern fehlt; wenn ihr nun zusammenarbeiten würdet — vielleicht 
würde dalln die Arbeit gelingeil!" . . . Nach kurzer Pause sahen sich „die 
feindlichen Brüder" fragend an. Darauf erklärte der gebildetere Raphael: 
„Meinetwegen, ich wi'lls versuchen". „Dann will ich auch lnittun", ant- 
wortete Siegfried. 
Bei der Arbeit lernten beide einander achten. Es flößte Raphael 
Respekt ein, wie Siegfried ben Materialien ihre Geheimnisse abgelauscht 
hatte, um sie in beliebige Formen zu bringen; er sagte still für sich: „Der 
stehr mit den Eigentümlichkeiten der Metall-, Holz- und Steinsprache ans 
Du und Du". Mit wachsendein Interesse beobachtete Siegfried, wie Raphael 
die Früchte der Pflanzen zu Vorbilderil für Gefäße, die Blattsormen zli 
Verzierungen zu verwenden wußte; er lernte, wie reich die Natur an 
Formen sei, wie man sie betrachten müsse, um ihren Zauber ganz zu erfassen. 
Die gemeinsame Arbeit, bei der einer den andern ergänzte, ging 
rüstig vorwärts. Sie gelang vortrefflich. Der Fürst lobte die trefflicheil 
Meister und bezahlte sie — wie ein Fürst. _ 
Die Arbeit wird heute lloch von den Besuchern des Schlosses be¬ 
wundert. „Die feindlichen Brüder" hatteil sich schätzeil gelernt Sie schloffen 
einell Freundschaftsbund. Der besteht heute noch. Man nennt ihn 
Kn ilst ge werbe. 
Das Kunstgewerbe erfordert geübtes Auge und geschickte 
Hand. Zwar versuchten bereits einzelne große Betriebe kunst¬ 
gewerbliche Gegenstände fabrikmäßig herzustellen; das verständige
	        
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