Full text: Unser Heimatland Elsaß-Lothringen (Bd. 10)

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Herren, dann zahlreiche Grafen, Ritter und Herren, bald sehr reich an Land 
und Leuten, bald nur Gebieter weniger Dörfer. Außerhalb dieser zahlreichen 
Herrschaften aber war eine Reihe von Reichsstädten hochgekommen, die sich 
reichsfrei, „kaiserlich" nannten, die niemanden als Herrn über sich erkannten 
als den Kaiser selber, deren Häupter schalteten und walteten wie Fürsten 
des Reiches. Jakob Sturm, dem Bürgermeister der freien Stadt Straßburg, 
sind wir ja schon begegnet. 
Anfangs war wohl die Macht all dieser Herren klein. Während aber 
die deutschen Kaiser in Italien erfolglos um eine fremde Krone kämpften, 
errangen sich die vielen kleinen Fürsten daheim ein Recht nach dem andern. 
So erstarkte und wuchs ihre Macht in gleichem Maße, wie die des Kaisers 
geringer und immer geringer wurde. 
Dann kam das entscheidungsvolle Jahr 1648. Das setzte den Schlu߬ 
punkt hinter die bisherige Geschichte der kleinen deutschen Länder und Herr¬ 
schaften. Bis dahin hatten sie ihre Herrschaftsrechte ausgeübt, weil kein 
Kaiser stark genug war, sie ihnen zu nehmen. Jetzt wurden sie ihnen gesetz¬ 
mäßig zugesprochen. Das neue Gesetz hat sie als selbständige Herren an¬ 
erkannt. Untereinander oder mit fremden Staaten durften sie Bündnisse 
schließen, als wären sie gar nicht Teile des Reiches. Nur nicht gegen den 
Kaiser sollten die Bündnisse gehen. Das war die einzige Bestimmung, 
die daran erinnerte, daß sie noch zum Reiche gehörten, daß sie wenigstens 
dem Namen nach dem Kaiser untertan waren, daß das Reich sich noch nicht 
ganz aufgelöst hatte. Mit 1648 sind sie also wirkliche Staaten geworden. 
Die zahlreichen Herrschaften unseres Landes aber haben diesen Schritt 
nicht alle mitgemacht. Jenes Reichsgesetz von 1648 galt nicht mehr für 
unser ganzes Land. Im gleichen Jahre sind ja große Teile von Elsaß und 
von Lothringen vom Reiche getrennt und mit Frankreich vereinigt worden. 
Derselbe Federstrich also, der die Länder und Herrschaften jenseits des Rheins 
zu Staaten machte, hat es dem größten Teil unseres Landes unmöglich 
gemacht, jemals auch selbständig zu werden. Denn in Frankreich war für 
solche Selbständigkeit kein Raum. Dieses Land bildete damals schon einen 
Einheitsstaat. Einzig und allein die Macht des französischen Königs 
gebot über alle Gebiete, die sich französisch nannten. Es gab keine Fürsten 
außer diesem König, und es wurden keine geduldet. 
Wohl wehrten sich die 1648 abgetretenen Teile unseres Landes gegen 
die französische Herrschaft. Wohl haben die freien Städte im Ober- und 
Unterelsaß mehr als einmal dem französischen „Landvogt", der ihr Herr 
sein wollte, ihre Tore vor der Nase zugeschlagen, haben nach wie vor ihre 
Abgesandten zu den deutschen Reichstagen geschickt. Und doch galt das Gesetz,
	        
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