8 Erster Teil. Die Rechte und Pflichten Minderjähriger. 
lassenen Minderjährigen gerichteten Bestrebungen sein. In Gemeinschaft mit den 
amtlichen Organen, dem Gemeindewaisenrat, will er den Pfleglingen bei der Berufs¬ 
wahl beratend zur Seite stehen, sie in geeignete Lehr- und Arbeitsstellen unterbringen 
und, wenn es erforderlich sein sollte, auch finanziell unterstützen. Dadurch hofft er, 
die Jugend in der entscheidenden Zeit ihrer Entwickelung vor Verwilderung und 
Verwahrlosung zu bewahren. Die körperlich und moralisch gefährdeten Großstadt¬ 
kinder sollen in die einfachen und hygienisch vorteilhafteren ländlichen Verhältnisse 
verpflanzt werden. 
Andere Vereinigungen bezwecken die Unterbringung der Knaben in geeignete 
Lehrstellen und die Ausbildung der Mädchen für den Haushalt in Haushaltungs¬ 
und Kochschulen. 
5. Das Kinderschutzgesetz. Am 1. Januar 1904 ist das Gesetz, betreffend die 
Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben in Kraft getreten. Das Gesetz bedeutet einen 
großen Fortschritt auf dem Gebiet der staatlichen Jugendfürsorge. Den ersten Schritt 
auf diesem Wege tat die Gewerbeordnung, indem sie die Fabrikarbeit der Kinder 
auf ein sehr geringes Maß einschränkte. Durch das neue Gesetz wird der Schutz der 
Kinder auf das gesamte Gebiet der Industrie, des Handwerks, des Handels und des 
Verkehrs ausgedehnt. Hervorzuheben ist, daß die Vorschriften des Gesetzes auch 
die Hausindustrie, in der bekanntlich eine sehr starke Ausnutzung der Kinder statt¬ 
findet, treffen. Die Kinderarbeit wird auf dasjenige Maß beschränkt, welches sich 
mit der Schulpflicht und mit dem Wohle des Kindes verträgt. Es wird der wirt¬ 
schaftlichen Ausbeutung des Kindes, seiner Verwendung in gefahrvollen Betrieben, 
der Überanstrengung seiner geistigen und körperlichen Kräfte vorgebeugt. Es wird 
ihm jede Beschäftigung ferngehalten, welche den Unterricht und die Erziehung stören 
könnte. 
Das Gesetz gilt für alle Kinder bis zu 13 Jahren und darüber hinaus noch für 
die Zeit, wo sie zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind. Es wird unterschieden 
zwischen eigenen und fremden Kindern, wobei als e i g e n e Kinder diejenigen gelten, 
welche mit dem Arbeitgeber bis zum dritten Grade verwandt oder von ihm bevor¬ 
mundet sind, sofern sie zu seinem Hausstande gehören; gleichgültig ist dabei, ob sie 
für ihn oder für dritte Personen beschäftigt werden. Alle übrigen Kinder gelten als 
fremde. Die Bestimmungen über die Beschäftigung eigener Kinder sind in manchen 
Punkten milder gestaltet. Nur bei fremden Kindern ist eine Anzeige an die 
Polizei und die Lösung einer Arbeitskarte vor Beginn der Beschäftigung vor¬ 
geschrieben. 
Die Arbeitskarte ist eine Neuerung von Wichtigkeit. Wenn in einem Betriebe 
Kinder beschäftigt werden sollen, so hat der Arbeitgeber vor Beginn der Beschäftigung 
der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. Dem Arbeitnehmer muß 
vor Beginn der Beschäftigung eine Arbeitskarte ausgehändigt werden. Diese Karlen 
werden auf Antrag oder mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter kosten- oder 
stempelfrei von der Ortspolizeibehörde ausgestellt. Die Erklärung des gesetzlichen 
Vertreters kann durch die Gemeindebehörden ergänzt werden. Die Arbeitskarte 
kann entzogen werden, wenn bei der Beschäftigung des Kindes erhebliche Mißstände 
zutage getreten sind. 
a) Völlig verboten ist die Beschäftigung von schulpflichtigen Kindern in den 
besonders schweren und gefährlichen Gewerben, z. B. bei Bauten, beim Töpfer, 
beim Steinmetzen, beim Vergolder, Färber, Gürtler, Fleischer und Maler, ferner
	        
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