Full text: Für die Unterstufe der Lehrerseminare (Band 2, [Schülerband])

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nicht so gar schwer zu erlangen, wenn ihr euch nur ernstlich bestrebet, recht geschickt 
und tugendsam zu werden, und euch überall so betraget, daß die Leute nichts anderes 
als Gutes mit Wahrheit von euch sagen können. Dabei müsset ihr auch die not— 
wendige Klugheit haben, eure Schwäche nicht zu sehr merken zu lassen. Wenn ihr 
zetwas unrecht machet oder saget, und kein Kind es merkt, so suchet es heimlich zu 
verbessern; hat es aber schon einer oder der andere bemerkt, so ist es am besten, 
es sogleich, ohne bestürzt oder verlegen zu tun, offenherzig zu gestehen: „Ich ver— 
redete, ich versah mich, es ist so und so ꝛc. Denket nicht, daß diese Klugheitsregel 
bei Kindern, besonders bei den kleineren, unnötig sei. Sie sind in der Tat nicht 
io so einfältig, als sie manchmal scheinen; sie sehen schärfer, als man denken sollte, be— 
sonders in solchen Dingen, die eine Beziehung auf sie haben. Sie spüren ge— 
meiniglich bei aller ihrer Unerfahrenheit und Unwissenheit die Beschaffenheit ihres 
Lehrers, seine schwache oder starke Seite weit eher aus, als dieser ihre Fähigkeiten, 
Neigungen und Gemütsart kennen lernt; sie wissen oftmalen von ihren Entdeckungen 
s einen solchen Gebrauch zu machen und so viele eingebildete Vorteile für sich daraus 
zu ziehen, als man ihnen nicht zutrauen sollte. Behutsamkeit in Gegenwart der 
Kinder ist euch also sehr notwendig, wenn ihr euer Ansehen unter ihnen behaupten 
wollt. Ist dies einmal verloren, so ist es nicht leicht wiederherzustellen, und der 
Schaden, der daraus entsteht, ist oftmals nicht wieder gutzumachen. 
ꝛd Zu den angeführten Mitteln, euch in Ansehen zu setzen, gehört auch besonders, 
daß ihr euch eine wahre Liebe und ein herzliches Zutrauen bei euren Kindern zu 
erwerben suchet. Diese Liebe und dies Zutrauen erhalten und schützen euer Ansehen 
mehr als alles übrige und bahnen euch den Weg zu den Herzen eurer Schüler, 
um sie desto leichter zum Guten zu lenken. Bei den meisten Kindern ist es nicht 
s schwer, Liebe und Vertrauen zu erlangen; aber freilich müsset ihr, um sie zu er— 
langen, selbst eine herzliche Liebe zu euren Schülern haben und ihnen dieselbe bei 
jeder Gelegenheit zu erkennen geben. Ihr müsset sie durch euer ganzes Betragen 
zu überzeugen suchen, daß ihr sie liebet und für ihr wahres Beste sorget. Des— 
wegen müsset ihr das Beispiel eines recht verständigen und gütigen Vaters stets vor 
Augen haben, und demselben, soviel euch möglich ist, in dem Verhalten gegen eure 
Schüler nachahmnen. Ihr könnet es ihnen auch wohl bei einer schicklichen Gelegen— 
heit sagen, daß ihr sie lieb habet, und daß ihr wünschet, sie möchten euch wieder 
lieben, und ein herzliches Zutrauen zu euch haben; aber euer Herz muß auch mit dem 
übereinkommen, was ihr mit dem Munde saget, und eure Werke müssen es zeigen. 
zs Zur Erweckung der Liebe und des Zutrauens bei den Kindern müsset ihr auch 
immer (nur die Faͤlle ausgenommen, wo das schlechte Betragen der Kinder das 
Gegenteil nötig macht) mit einem heiteren und fröhlichen Gesichte in die Schule 
kommen. Dies ermuntert die Kinder und erwirbt euch bei denselben schon gleich 
bei eurer Ankunft Liebe und Zutrauen. Und das ist sehr natürlich: sehen die 
o Schüler euch mit einem finsteren und verdrießlichen Gesichte zu ihnen kommen, so 
befürchten sie für sich manches Unangenehme; sie werden niedergeschlagen, mürrisch 
und verlieren alle Lust zum Lernen; erblicken sie euch aber mit einem heiteren, 
offenen Gesichte, seid ihr selbst munter, so teilet ihr ihnen gleichsam eure Heiterkeit 
und Lust zur Arbeit mit und flößet ihnen Leben und Munterkeit ein. Es ver⸗ 
s steht sich von selbst, daß diese Munterkeit bei euch keine leichtsinnige Lustigkeit sein 
und nichts Läppisches an sich haben, sondern mit einer väterlichen Ernsthaftigkeit 
und einem gesetzten Wesen verbunden sein muß. Mit einer solchen, eurer Würde 
anständigen Heiterkeit und Munterkeit begebet euch also jedesmal zu euren Schülern; 
lasset sie gleich anfangs, wie auch die ganze Schulzeit über auf eurem Gesichte 
bo lesen, daß ihr euch freuet, sie zu sehen und zu unterrichten. Selbst alsdann, wann 
ihr verdrießlich und mißvergnügt seid, müsset ihr euch Mühe geben, eure üble 
Laune zu verbergen. Durch fortgesetzte Übung könnet ihr es wirklich dahin bringen. 
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