99
„und Schuhe an seine Züße." —
„und einen Ring an seinen Zinger gesteckt hat. Und wie der
arme Sohn gesagt hat: Vater, ich bin nicht wert, daß ich dein Sohn
heiße."
Jedes Ivort der kleinen Rinder fiel dem Wanderer aufs herz
wie ein hammerschlag. „Solch ein glückliches Schulkind war auch
ich einmal," aber dann — war ihm der Stecken und Stab ge¬
nommen. Ulan hatte den Neid in seiner Seele geschürt — er war
so arm — den Glauben hatte er verloren. Oer Meister hatte einige
Male ernst auf ihn eingeredet. Er hatte den Ulten mit den Worten
weggescheucht: „Religion ist Privatsache." —
wie jagten die Gedanken so fieberhaft durch sein Gehirn. —
Oie Not nach der Entlassung aus dem Gefängnis. Wie er ver¬
sucht hatte, Urbeit zu finden, wie er gebeten, gefleht, gebettelt
hatte, um jeden Lohn zu arbeiten — nur wieder einen Unfang.
Er war auf Wanderschaft gegangen, beim Betteln erwischt, in
haft genommen worden; es war zum verzweifeln gewesen. Uber
nun — war das Schlimmste gekommen.
Uus der zerrissenen Tasche holte er das Blatt hervor, das er
aus der armseligen Wirtsstube mitgenommen hatte und las seinen
eigenen — Steckbrief! „Wie bin ich gehetzt!"
„G Gott, du weißt, daß ich unschuldig bin. Ich nahm dem
Rinde, das zum Raufmann geschickt war, das Geldstück nicht. Ulein
elendes Aussehen hat den verdacht auf mich gelenkt."
Gott! — wie lange hatte er ihn nicht angerufen. Er barg
das angstvolle Antlitz in den Händen — und weinte, weinte bitter¬
lich. —
Drei Wanderer kamen die Straße munter daher.
„Rinder, bald gehts aus Sachsen hinaus. Singen wir noch
einmal: Gott sei mit dir, mein Sachsenland —"
Sic brachen ab, als sie den Gesellen im Gebüsch erblickten.
„Guten Morgen! Auch Wanderbursche?" Nun erschraken sie
doch, als sie den verhungerten, Zerlumpten sahen, „was bist
du denn?" „Tischler." „Schon lange auf der walze?" „3 Jahre."
„hast Hunger?" Wilhelm hatte schon die Bemme heraus¬
geholt und hielt sie ihm hin. „hier ist Raffee, er ist noch ein bischen
warm." Gierig schlang er die Labung hinunter, „wo hast du
7*