Full text: Meister Bindewald als Bürger

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„Das wäre Kunrtetsborf, wo mein lieber Mann her war. 
über ich will lieber hier bleiben, hier habe ich meinen hübschen 
Verdienst und für die Rinder eine gute Schule — und dann — 
er liegt ja hier begraben." 
„Nach der Meinung des Armenamts kann eine Witwe sich 
allein durchbringen." 
„Ich möchte am liebsten auch alle meine fünf Rinder ernähren, 
ohne jemandes Hilfe." 
„Gott erhalte Sie gesund! Aber Sie können sich an das 
Armenamt wenden. Dann erhalten Sie eine Erziehungsbei¬ 
hilfe von M. 4.— den Monat auf ein Rind. Außerdem reichen 
Sie an die Schulleitung ein Gesuch um Zreischule ein. Ihre Alteste ist 
14 Iahre, die kann auch schon etwas verdienen. Rann sie kochen?" 
„Ia freilich, das hat sie in der R o ch s ch u l e gelernt." 
„Ihr Großer kann stets bei mir nachfragen, ob ich einen weg 
für ihn habe. Die Rleinen tun sie am besten in eine Rleinkinder- 
schule (Spielschule)." 
Erleichterten Herzens ging Zrau Rramer heim. 
Die Gesuche kamen vom städtischen Armenamte an den Armen¬ 
bezirk (p f l e g e r v e r e i n). Lindewald und einer seiner Nach¬ 
barn befürworteten den Zoll mit Erfolg. So ersetzte die Stadl 
und die freiwillige Nächstenliebe den Vater, soweit es eben mög¬ 
lich war. 
„Solch eine Zamilie kostet einer Stadt immerhin die große 
Summe von 12X20 — M. 240.— im Iahre an Erziehungs¬ 
beihilfe", sagte Lindewald in der Sitzung des Armen¬ 
pflegeroereins. „Dazu kommen etwa M. 20.— für freien 
Arzt und Apotheke; außerdem erhalten aber auch alle schulpflich¬ 
tigen Rinder Rleidungsstücke und Schuhwerk. Die Rosten hierfür 
belaufen sich für ein Rind jährlich auf M. 20.—. viel Geld endlich 
kostet der Schulbesuch, den sich die städtische Verwaltung 
jetzt auf M. 87,60 für das Rind, das eine Volksschule besucht, berech¬ 
net, so daß die Stadt dieser einen Zamilie M. 582,60 im Iahre 
opfern muß." 
„Da die Steuern der kleinen Leute bei weitem nicht ausreichen, 
auch nur die Rosten für den Schulaufwand für ihre eigenen Rinder 
zu decken, so müssen eben die wohlhabenderen Bürger einen ent¬ 
sprechend höheren Steuerbetrag zahlen", ergänzte ein anderer.
	        
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