Full text: Die Heimatskunde im ersten Schuljahre oder Einführung des sechs- bis siebenjährigen Kindes in das Natur- und Menschenleben (H. 1)

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geworfen, so daß ich schwer in der Ferne höre. Du würdest mir 
eine große Freude machen, wenn du über den Zaun zu mir herunter¬ 
fliegen möchtest und mir so recht in der Nähe etwas vorkrähtest!" 
„Ich kann ja nicht zu dir kommen," sprach Gokelmann ganz 
traurig. Er fühlte sich so sehr geschmeichelt von dem Lobe des 
Fuchses. 
„Ach wie schade!" sprach Meister Reineke, „ich wollte dich auch 
noch um eine andere Gefälligkeit bitten. Der Doktor hat mir ge¬ 
raten, ich solle wegen meiner Taubheit frische, lebendige Regenwürmer 
auf die Ohren legen. Da bin ich nun hergekommen, um mir welche 
zu holen, und kann sie nicht gut mit meiner Schnauze fassen. Ja. 
wer deinen Schnabel hätte!" 
„Regenwürmer, fette Regenwürmer? Sind denn wirklich welche 
da?" fragte Gokelmann eifrig. 
„Ach, und was für welche!" sprach der Fuchs: „Kerle, wie die 
Aale so fett, das kribbelt und Wibbelt davon hier unten beim Wasser. 
Nie in meinem Leben sah ich solche Menge beisammen." 
Wie das der Gokelmann hörte, konnte er sich nicht halten; er¬ 
hob die Flügel, um über den Zaun zum Fuchse hinunter zu fliegen. 
Sein liebstes Essen von der Welt waren ja fette Regenwürmer. — 
Aber vergebens! Gerade gestern hatte die Köchin ihm die Flügel 
beschnitten, damit er eben nicht überall hinfliegen könne. So ward 
es ihm unmöglich, hinunter zu flattern. Er klagte dem Fuchse sein 
Leid. Dieser wollte ihm auch eben einen guten Rat geben, wie er 
trotzdem aus dem Garten heraus zu ihm kommen könne, da ließen 
sich aber in der Nähe Menschenstimmen hören. Der Fuchs hatte 
gerade noch Zeit, dem leichtgläubigen Gokelmann zuzurufen: „Komm 
morgen wieder, du Herzens-Gokelmann, und bring doch auch ja 
deinen lieben Bruder Hähnel mit! Dann wollen wir mehr mit ein¬ 
ander sprechen, hörst du?" Darauf streckte er den Schwanz hoch in 
die Luft und lies, was er nur konnte, ins Feld hinein. 
Traurig ging Gokelmann nach seinem Hofe. Fortwährend 
dachte er an das leckere Frühstück, wovon der Fuchs ihm gesagt hatte. 
Daheim angelangt, erzählte er nun seinen Eltern, Avas ihm begegnet 
war. Nach seinen Worten konnten die alten Hühner auch nicht 
anders denken, als daß der taube Freund am Ufer ein Hund gewesen 
iväre. „Alterchen!" sprach Frau Kratzefuß zum Hahn, „wie wär's, 
wenn wir morgen um diese Zeit alle zusammen nach der Stelle hin-
	        
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