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in ihre Theile zerlegen und diese wieder zusammenlesen (also lesen)
können, sobald sie mit den geschriebenen oder gedruckten Lautzeichen
bekannt gemacht worden sind. Das mündliche Zerlegen und Zusammen¬
setzen gesprochener Wörter bildet die Brücke über die scheinbar tiefe
Kluft zwischen der hörbaren und sichtbaren Sprache; es ist die
beste Vorbereitung fürs Schreiben und Lesen, und als solche wichtig
genug, um von dem,Elementarlehrer ganz besonders gepflegt und geübt
zu werden.
Wie bei dem Schreibunterrichte, so ist auch hier nur der Anfang
schwer, weil das Ohr der Kleinen noch nicht geübt ist. Wenn erst
einige Wörter aufgelöst worden sind, dann ist die Hauptschwierigkeit
schon überwunden; denn das Ohr wird mit jedem neuen Worte für
die Lautunterschiede schärfer. Man erleichtert den Kindern die Arbeit
im Anfange dadurch, daß man zuerst solche Wörter auflösen läßt,
welche aus wenigen und mit dem Gehör leicht aufzufassenden Lauten
bestehen. Leicht aufzufassende Laute sind die langen Vokale und ein¬
fachen Konsonanten. Man wähle daher für den Anfang Wörter mit
solchen Lauten, und vermeide Wörter mit kurzen Vokalen und Kon¬
sonantenhäufungen.
Leider wird in den nach der in Rede stehenden Methode verfaßten
Schulbüchern auf die Auflöseschwierigkeit nicht hinreichend Rücksicht
genommen, besonders nicht in der Wahl des ersten Wortes. Denn
weder Fisch, noch Dach, noch Ei eignen sich für den Anfang; die
ersten beiden Wörter wegen des kurzen Vokales und zusammengesetzten
Konsonanten, das letzte Wort wegen des zusammengesetzten Vokales,
aus dem man die Bestandtheile gar nicht heraushören kann. Nur
das vom seligen Di'. Vogel gewählte Wort: Hut eignet sich für den
Anfang. Es entspricht allen Anforderungen, die hinsichtlich des An¬
schauungsunterrichts, des Nachzeichnens, des Auflösens und des Schrei¬
bens und Lesens an ein erstes Normalwort gestellt werden können;
denn es ist nicht nur der Name für einen bekannten, leicht zu zeichnen¬
den Gegenstand, sondern auch leicht aufzulösen und ebenso leicht zu
schreiben und zu lesen. Nimmt man das Wort Rad als zweites und
Buch als drittes Normalwort, beide eben so leicht zu zerlegen, wie
Hut, so kann man dann das Wort Baum folgen lassen. Dieses
Wort enthält zwar einen Doppellaut, aber einen solchen, der bei etwas
gedehnter Aussprache recht gut mit dem Gehör als aus a und u
bestehend erkannt wird, und steht jedenfalls mit mehr Recht an dieser
Stelle, als das Wort Bett mit seinem gekürzten e.