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durch Vor- und Nachsagen gelernt. Allein ist dieß nicht der natür¬
lichste Weg? Lernt nicht die Mutter ihre Lieblinge auf die gleiche
Weise? Ist es nicht eine saure Arbeit für ein siebenjähriges Kind,
seine Ausgabe aus dem Buche zu lernen und wie fällt dabei
das Hersagen aus? Sollte nicht bis zum 10. Jahre aller Stoff
durch Vor- und Nachsagen gelernt werden? Würde nicht dadurch
erst ein schönes Lesen und Declamiren erreicht werden? Und für
den Sprachunterricht gibt eS hier wohl eine bessere Vorübung,
als einen zweckmäßigen AnschauungS-Unterricht? Man darf mit
Bestimmtheit versichern, daß ein Kind, nach unserer Anleitung unter¬
richtet, im 9. Jahre unstreitig ein besseres Aufsätzchen liefert, als eines,
das diese 3 Jahre hindurch gelesen hat. Der Einwurf, die Kinder
werden in 7 Jahren nicht fertig lesen und schreiben lernen, be¬
darf bei der gegenwärtigen Schuleinrichtung keiner Entgegnung.
Im Gegentheil werden selbst die schwächsten Schüler bei sorgfäl¬
tiger Behandlung mit den andern das Lesen lernen. Auf die
Einwendung, die Kinder werden durch unsern Vorschlag um ein
Jahr zurückkommen, genüge die Zusicherung, daß unsere Schüler
alle andern im 10. Jahre eingeholt haben.
3. Hie und da kann man auch vernehmen, jüngere Kinder
werden den Mechanismus, den jedes Lesen lernen mit
sich bringt, leichter als ältere überwinden, weil diese
bei größerer Gewecktheit deS Verstandes an den mechanischen
Uebungen, die zu trocknen, zu langweilig und einförmig sind, leicht
erlahmen. Es möchte an dieser Ansicht allerdings etwas Wahres
fein, wenn etwa das Lesen bis ins 10. oder 12. Jahr, wie schon
vorgeschlagen, hinausgeschoben würde; aber bei unserer Ein¬
richtung dürfte wohl der Unterschied zwischen dem 7. und 6.
Jahre nicht so groß sein. Im Gegentheile kann das Kind, das
vorher für einen schwereren Unterricht vorbereitet, das einiger¬
maßen an die Schule gewöhnt, das die nöthigen Vorübungen
durchgearbeitet hat, sicherer und leichter diese Schwierigkeiten
überwinden.
4. Der letzte Grund mag das Vorurtheil des Volkes
gegen solche Neuerung sein. Wie ist diesem zu begegnen?
Ein Lehrer, der sich mit unserer Idee befreundet hat, versuche eS
einigemale nach eingeholter Erlaubniß seiner Vorgesetzten mit dem
Anschauungs-Unterrichte und den nöthigen Vorübungen für daS
Lesen und Schreiben den Sommer auszufüllen. Dann beginne
er das eigentliche Lesen, daß die Kinder bis Anfang Winter in
das Büchlein kommen, damit sie an den langen Winterabenden