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meinde fand weder bei seinen Eltern, noch bei seinen Freunden in der
Stadl eine Bibel und mußte zwei Stunden über die Berge wandern,
um eine zu finden! Dieser Gedanke ließ dem treuen Pastor keine Ruhe
mehr. Er erkundigte sich weiter, wie es mit dem Mangel an Bibeln
in seiner Gemeinde und in den anderen Gegenden der Provinz stehe,
und fand zu seinem tiefen Schnurze, daß dieser Mangel über alle Bor¬
stellung groß sei. Das beklagenswerteste aber war, daß nirgends mehr
Bibeln in wälischer Sprache zu kaufen waren. Einer seiner Freunde
schrieb ihm voll Wehmut: „Giebt es auch eine Armut gleich der Armut
dieses Volkes, welches das Wort seines Gottes nicht haben kann?"
Charles machte sich im Dezember nach London auf den Weg, um
auf irgend eine Weise Bibeln für sein armes Volk zu erhalten. Er
suchte einen Freund auf und schüttete ihm sein Herz aus. Gott hatte
ihn zu dem rechten Mann geführt; er war eines der Vorstandsmitglieder
der Traktatgesellschaft. „Kommen Sie morgen mit mir in die Sitzung
unsres Vereins," sagte dieser, „da finden Sie unsere Freunde beisammen,
die vielleicht Rat in dieser Sache wissen." Charles trug sein Anliegen
vor. Es war eine ernste, unvergeßliche Stunde. Daß etwas gethan
werden müsse, das war allen klar und gewiß. Es wurde vorgeschlagen,
man solle sogleich eine Gesellschaft gründen zur Verbreitung der Bibel
in Wales. Da erhob sich der Prediger Hughes und rief: „Wenn für
Wales, warum nicht auch für das ganze Land und für die ganze
Welt?" —
Das war der Augenblick, da das Senfkorn in die Erde fiel, aus
dem die große „Britische und Ausländische Bibelgesellschaft" erwachsen
sollte. Es war damit der Gedanke ausgesprochen, den schon Luther
mit den Worten ausgedrückt hatte: „Dieses Buch muß aller Menschen
Zungen, Hände, Augen, Ohren und Herzen erfüllen." Aber man ging
überlegt und besonnen vor. Erst der 7. März 1804 wurde der eigent¬
liche Gründungstag der Gesellschaft. Eine Verbindung von Kühnheit mit
Weisheit, von Eifer mit Vorsicht kennzeichnet die echten Unternehmungen
der christlichen Liebe.
Die englische Bibelgesellschaft hat am meisten für die Verbreitung
der Bibel in der Welt gethan. Sie hat die Heilige Schrift in mehr
als 300 Sprachen veröffentlicht und seit ihrem Bestehen die ungeheure
Summe von über 230 Millionen Mark aufgewendet.
In Deutschland hatte der heiße Wunsch, die Heilige Schrift möglichst
weit zu verbreiten, den Freiherrn von Canstein, den Freund A. H. Franckes,
Mittel und Wege finden lassen, in Halle im Jahre 1712 eine Druckerei
zu errichten, in welcher Bibeln zu billigen Preisen hergestellt wurden.