Full text: [Stufe 5 = Schulj. 7 u. 8] (Stufe 5 = Schulj. 7 u. 8)

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auf. Oft zuckten einzelne Feuerzungen empor und warfen des Nachts 
einen dunkelroten Schein auf den Rauch und die gespenstischen Trümmer. 
Leer gebrannt ist die Stätte. In den öden Fenster¬ 
höhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken 
schauen hoch hinein. 
Die Nacht war in jeder Beziehung grauenvoll. Gegen 6000 Menschen 
lagen obdachlos auf den Feldern und Wiesen um die Stadt herum. Keins 
wußte, was es den nächsten Tag ansangen, womit es Hunger und Durst 
stillen sollte. Aber ehe sie riefen, hatte der schon gehört, welcher den Raben 
ihr Futter giebt. Von Ronneburg, Weida, Laugenberg und allen Orten 
der Umgegend kamen Wagen mit Lebensmitteln und mit dem, was sonst 
noch zu des Leibes Notdurft gehört. In den folgenden Tagen ließ der 
Graf die reichen Gaben allerlei Art, welche aus einer Entfernung von 8 
und 9 Meilen herbeigebracht wurden, auf dem Ostersteine in besondere 
Niederlagen unterbringen, um sie von hier aus in geordneter Weise au 
die Hilfsbedürftigen verteilen zu lassen. 
Von den Flüchtlingen hatten in den ersten Tagen nur wenige ein 
halbwegs leidliches Unterkommen gesunden. Die kleinen Häuser, welche 
das Feuer verschont hatte, waren bis unter das Dach angefüllt, ebenso 
alle Scheunen und Gartenhäuser. Sogar die überbauten Begräbnisse, die 
damals rings um den alten Gottesacker standen, waren von Hunderten 
bewohnt. Außerdem wurde der nahe Steinbruch am Galgenberg von 
vielen als erste Zufluchtsstätte benutzt, indem sie Bretter über die Blöcke 
und Vorsprünge legten und so notdürftige Überdachungen herstellten. Andere 
hatten unter der ElsterbrüA ihr Lager aufgeschlagen; denn infolge der 
lang anhaltenden Dürre war der Fluß zu einem schmalen Bache zusammen¬ 
geschrumpft. Allmählich trat eine gleichmäßigere Verteilung der Leute nucí) 
in den benachbarten Dörfern ein, und bis zum Eintritte der rauhen Jahres¬ 
zeit waren alle genügend untergebracht. 
Krieg antb Brand bringt Segen in das Land. Auch Gera hat die 
Wahrheit dieses Wortes erfahren. Die meisten hatten nichts als das 
nackte Leben gerettet. Viele Bürger, besonders die Kaufleute, hatten die 
Wertsachen in die Gewölbe geräumt, aber die meisten waren von den ein¬ 
stürzenden Decken und Wänden zerdrückt worden und vollständig ausge¬ 
brannt. Der Verlust der Stadt wurde aus mehrere Millionen Thaler 
geschätzt. Es muß darum als ein halbes Wunder angesehen werden, daß 
Gera in kurzer Zeit schöner als zuvor aus den Trümniern erstand. Haupt¬ 
sächlich war dies der unermüdlichen Thätigkeit und Schaffenskraft Hein¬ 
richs XXX. zu verdanken, dem keine Mühe, kein Opfer zu groß war, 
wenn es der Wiedergeburt seiner Stadt galt. Durch seine Verwendung
	        
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