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auf. Oft zuckten einzelne Feuerzungen empor und warfen des Nachts
einen dunkelroten Schein auf den Rauch und die gespenstischen Trümmer.
Leer gebrannt ist die Stätte. In den öden Fenster¬
höhlen wohnt das Grauen, und des Himmels Wolken
schauen hoch hinein.
Die Nacht war in jeder Beziehung grauenvoll. Gegen 6000 Menschen
lagen obdachlos auf den Feldern und Wiesen um die Stadt herum. Keins
wußte, was es den nächsten Tag ansangen, womit es Hunger und Durst
stillen sollte. Aber ehe sie riefen, hatte der schon gehört, welcher den Raben
ihr Futter giebt. Von Ronneburg, Weida, Laugenberg und allen Orten
der Umgegend kamen Wagen mit Lebensmitteln und mit dem, was sonst
noch zu des Leibes Notdurft gehört. In den folgenden Tagen ließ der
Graf die reichen Gaben allerlei Art, welche aus einer Entfernung von 8
und 9 Meilen herbeigebracht wurden, auf dem Ostersteine in besondere
Niederlagen unterbringen, um sie von hier aus in geordneter Weise au
die Hilfsbedürftigen verteilen zu lassen.
Von den Flüchtlingen hatten in den ersten Tagen nur wenige ein
halbwegs leidliches Unterkommen gesunden. Die kleinen Häuser, welche
das Feuer verschont hatte, waren bis unter das Dach angefüllt, ebenso
alle Scheunen und Gartenhäuser. Sogar die überbauten Begräbnisse, die
damals rings um den alten Gottesacker standen, waren von Hunderten
bewohnt. Außerdem wurde der nahe Steinbruch am Galgenberg von
vielen als erste Zufluchtsstätte benutzt, indem sie Bretter über die Blöcke
und Vorsprünge legten und so notdürftige Überdachungen herstellten. Andere
hatten unter der ElsterbrüA ihr Lager aufgeschlagen; denn infolge der
lang anhaltenden Dürre war der Fluß zu einem schmalen Bache zusammen¬
geschrumpft. Allmählich trat eine gleichmäßigere Verteilung der Leute nucí)
in den benachbarten Dörfern ein, und bis zum Eintritte der rauhen Jahres¬
zeit waren alle genügend untergebracht.
Krieg antb Brand bringt Segen in das Land. Auch Gera hat die
Wahrheit dieses Wortes erfahren. Die meisten hatten nichts als das
nackte Leben gerettet. Viele Bürger, besonders die Kaufleute, hatten die
Wertsachen in die Gewölbe geräumt, aber die meisten waren von den ein¬
stürzenden Decken und Wänden zerdrückt worden und vollständig ausge¬
brannt. Der Verlust der Stadt wurde aus mehrere Millionen Thaler
geschätzt. Es muß darum als ein halbes Wunder angesehen werden, daß
Gera in kurzer Zeit schöner als zuvor aus den Trümniern erstand. Haupt¬
sächlich war dies der unermüdlichen Thätigkeit und Schaffenskraft Hein¬
richs XXX. zu verdanken, dem keine Mühe, kein Opfer zu groß war,
wenn es der Wiedergeburt seiner Stadt galt. Durch seine Verwendung