Full text: Neues Realienbuch für Schule und Haus

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Ein grober, dunkelfarbiger Rock, der durch einen Ledergürtel aufgeschürzt wurde, 
eine Tasche mit den notwendigsten Speisevorräten und ein breitkrempiger Hut 
bildeten die allgemeine Tracht der Pilger. Solange die Araber Herren von 
Palästina waren, wurde den Pilgern jeglicher Schutz zuteil. Als aber inr Jahre 
1072 die Türken das heilige Land eroberten, waren sie allerhand Grausamkeiten 
ausgesetzt. Immer sehnlicher wurde bei den: Christen der Wunsch, das heilige 
Land den Türken zu entreißen. 
Airchenversanrnrlung zu Llernront. Papst Urban berief 1095 eine 
Kirchenversammlnng nach Clermont in Frankreich. In feurigen Worten forderte 
er seine Zuhörer auf, das heilige Land den Türken zu entreißen. Voll Be¬ 
geisterung rief er aus: „Gott wird seine Gnadenschätze ausgießen über alle, 
die sich zum Zuge verpflichten. O, gebenedeit seien diejenigen, die von Gott 
zu solch edlen Opfern und Beschwerden berufen werden!" Als Antwort ertönte 
der vieltausendstimmige Ruf: „Gott will es!" In heiliger Begeisterung erklärten 
sich Tausende von Gläubigen zur Teilnahme am Kampfe gegen die Ungläubigen 
bereit. Sie hefteten sich ein rotes Kreuz auf die rechte Schulter; davon erhielten 
sie den Namen Kreuzfahrer. Unter den Predigern, die das Land durchzogen 
und zu dem Krenzzuge aufriefen, tat sich besonders Peter von Amiens hervor. 
Er war aber noch nicht, >vie oft erzählt wird, in Jerusalem gewesen. 
Der erste Llreuzzug 1096—1099. Kaum war der Lenz des Jahres 
1096 angebrochen, als ungeordnete und schlecht bewaffnete Scharen von Kreuz¬ 
fahrern unter Anführung des Peter von Amiens zur Befreiung des hl. Landes 
auszogen. Ans Karren führten sie die Kinder und Greise sowie ihre Habselig¬ 
keiten mit. Beinr Anblick jeder in der Ferne auftauchenden Turmspitze glaubten 
sie Jerusalem nahe zu sein. Traurig war das Los dieser Pilger. Tausende 
und Abertausende kamen durch Elend und Not um oder sielen durch das Schwert 
der Völker, deren Gebiet sie durchzogen. 
Glücklicher war das Hauptheer, das im Herbst 1096 den Kreuzzng antrat. 
Gottfried von Bouillon führte es an. Nach harten Kämpfen erreichte es Klein¬ 
asien. Die feste Stadt Antiochia wurde nach neunmonatiger Belagerung ein- 
genommen. Von da zogen die Kreuzfahrer gegen Jerusalem. Als sie von 
Emmaus aus die hl. Stadt erblickten, verbreitete sich durch das ganze Heer der 
Freudenrnf: „Jerusalem, Jerusalem!" Alle sanken auf die Knie und küßten 
in heiliger Ehrfurcht den Boden, ans dem einst der göttliche Heiland gewandelt 
hatte. Jerusalem >var von 60 000 Türken besetzt, denen die Kreuzfahrer nur 
1500 Reiter und 20 000 Fußgänger entgegenstellen konnten. Nach fünfwöchiger 
Belagerung wurde die Stadt erobert. Furchtbar ivar die Rache der Sieger. 
Von 60 000 Türken blieben nicht soviel am Leben, als gur Beerdigung der Toten 
erforderlich waren. 
Gottfried von Bouillon wurde einstimmig zum König von Jerusalem aus¬ 
gerufen. Bescheiden lehnte er jedoch beit Titel ab; denn er wollte dort keine 
goldene Krone tragen, wo sein Herr unter einer Dornenkrone geblutet 
hatte. Er nannte sich nur „Beschützer des hl. Grabes". Im folgenden Jahre 
starb er, und sein Bruder Balduin wurde König von Jerusalem. Noch sechs 
andere Krenzzüge wurden zur Eroberung des hl. Landes unternommen. Dennoch 
siel nach 200 Jahren die letzte christliche Besitzung in Palästina den Türken 
wieder in die Hände. 
Folgen der Kreuzzüge. Ihren eigentlichen Zweck haben die Kreuzzüge 
nicht erreicht; dennoch sind sie von großein Nutzen gewesen. Da die Kreuzzüge 
von der Kirche angeregt und begünstigt wurden, so förderten sie wesentlich 
ihr Ansehen. Die Ritter wurden angeifert, ihr Schwert in den Dienst 
Gottes zu stellen. Der Tod vieler Kreuzfahrer erledigte auch viele Lehen. Da
	        
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