68 I. Die Geschichte Roms bis zur Unterwerfung Italiens (265 v. Chr.).
Gegen diese Behandlung sträubten sich die Plebejer, und in
langen Kämpfen gelang es ihnen, ihre Rechte allmählich sicher zu
stellen und zu vermehren.
Das Erste, was sie erlangten, war das Recht der Provoka¬
tion an das Volk. Hiernach konnte jeder, wenn er in einer
schweren (Strafsache sich mit dem Richterspruche des Konsuls
nicht zufrieden geben wollte, von der Volksversammlung (Zenturiat-
komitien) eine Entscheidung erbitten. Sodann wurde ihnen (471 v. Chr.)
das Recht gegeben, sich selbst aus ihrer Mitte Beamte zu wählen,
die dazu bestimmt waren, sie gegen patrizische Beamte zu schützen.
Es waren dies vier Volkstribunen, die jährlich von Plebejern
gewählt wurden. Deren Person mußte jeder für unverletzlich (sakro¬
sankt) halten, und gegen jede Tat oder jeden Beschluß eines Beamten
oder des Senates konnten sie ein „Veto" (= ich verbiete) einlegen.
Endlich wurden für die Plebejer besondere Wahlversammlungen, die
Tributkomitien, eingerichtet, in denen sie über ihre Angelegen¬
heiten beschließen konnten.
2. Geschriebene Gesetze. Als ein großer Übelstand wurde es
von den Plebejern empfunden, daß die Gesetze nicht aufgeschrieben
waren, sondern von den Konsuln nach dem alten Gewohnheitsrechte
Recht gesprochen wurde. Aus ihr Drängen hin wurden deshalb im
Jahre 451 v. Chr. zur Abfassung und Aufzeichnung von Gesetzen
zehn Männer (Dezemvirn) gewählt und mit der höchsten
Gewalt bekleidet. Die Rechte der Volkstribunen und der Konsuln
ruhten während ihrer Amtsdauer.
Diese Dezemvirn stellten zehn Tafeln mit Gesetzen her. Ihre
Nachfolger im Jahre 450 v. Chr. konnten aber das Werk nicht zu
Ende führen. Denn einer von ihnen, so wird erzählt, mit Namen
Appius Claudius beging eine empörende Gewalttat gegen eine
edle Jungfrau. Der Vater derselben regte nun das Kriegsheer, das
im Felde stand, auf, und dieses rückte vor Rom und erzwang die
Entfernung der Dezemvirn.*) Das Konsulat und das Volkstribunat
wurden jetzt wieder eingesetzt, auch wurde bestimmt, daß fortan jährlich
*) Spätere Berichte erzählen, daß jenes Mädchen Virginia hieß, die Appius
Claudius in seine Gewalt bringen wollte, indem er als Richter sie einem seiner
Schutzbefohlenen zusprach, dessen Sklavin sie angeblich sein sollte. Da der Vater
Virginius erkannte, daß er gegen den ungerechten Richter nichts machen konnte,
so erklärte er auf dem Markte (Forum), von seiner Tochter Abschied nehmen zu
wollen, führte sie dann zur Seite an eine Fleischbank und stieß ihr ein dort
liegendes Messer in das Herz. Mit dem blutigen Messer in der Hand rief er
hierauf das Volk zum Kampfe gegen die Tyrannen auf.