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Feldherren zu Theil geworden ist; das Schönste und Größte
sagt ihr aber nicht: Kein Athener hat meinetwegen das
Trauergewand angelegt."
XXIV.
Kleon, der Gerber.
So glänzend Perikles Verdienste um den Athenischen
Staat sind, so trifft ihn doch der Vorwurf, daß er das
Athenische Volk an früher nicht gekannte Genüsse gewöhnt
hat. Die schädlichen Folgen dieser Genußsucht des Volks
traten jedoch nicht während seines Lebens, sondern erst nach
seinem Tode hervor, als an seine Stelle in der Staats¬
verwaltung Männer kamen, die dem Volke alle Genüsse nur
aus dem Grunde gewährten, um sich dessen Gunst zu ver¬
schaffen und es nach ihren eigenen Vortheilen zu leiten. Der
habsüchtigste und unverschämteste dieser Männer war Kleon,
Gerber und Lederhändler zu Athen, was jedoch nicht so zu
verstehen ist, als ob er selbst dieses Gewerbe getrieben habe,
sondern er hatte eine Gerberwerkstätte, in der größtentheils
Sklaven arbeiteten. Wie grenzenlos seine Habsucht war, geht
daraus hervor, daß er anfangs ein geringes Vermögen be¬
saß, nach seinem Tode aber 50 Talente hinterließ. Sein
äußeres Auftreten war ganz. das Gegentheil von dem des
Perikles: er hatte auf der Straße einen raschen unanständigen
Gang; auf der Rednerbühne suchte er durch heftige Geberden,
durch seine schreiende Stimme die Zuhörer zur Leidenschaft¬
lichkeit zu reizen, dabei warf er den Mantel zurück, schlug
die Hüfte und sprang von einer Seite der Rednerbühne zur
andern. Mit der größten Frechheit und Unverschämtheit ver¬
folgte er durch falsche Anklagen vor Gericht die ruhigen und
wohlhabenden Bürger, um nach ihrer Verurtheilung sich durch
Einziehung ihres Vermögens zu bereichern, so daß alle Wohl¬
gesinnten vor ihm in Angst lebten. Seine blutige Grau¬
samkeit zeigte er besonders bei folgender Gelegenheit.
Im vierten Jahre des Peloponnestschen Krieges (428)
war die Insel Lesbos von dem Athenischen Bunde abgefallen.