Full text: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

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I. Der Bauernstand sonst und setzt. 
gemeinsame Viehweide benutzt. Diese Stücken mußten wieder geteilt 
werden, wie die Nachkommenschaft sich vermehrte. Bei einigen Stämmen 
erbten die Söhne zu gleichen Teilen, bei andern nur der älteste und 
der jüngste Sohn zu gleichen Teilen, bei noch andern erhielt der älteste 
Sohn das ganze Erbe. Die erblosen Söhne gingen wohl, zu Wander-, 
Zügen vereint, in die Fremde. Bei der Einteilung der Felder eines' 
Dorfes unb bei der Abgrenzung verschiedener Dörfer gegen einander 
gab es oft blutige Kämpfe. Erbte ein Sohn den ganzen Besitz der 
Familie, so war er verpflichtet, seine Geschwister, die nicht wehrhaft 
waren oder es tlicht sein wollten, gegen gewisse Dienstleistungen zu 
erhaltetl. 
Mit dem Völkersturm von Osten kam durch die Hunnen (375) 
zu den Deutschen der Roggen, der von nun an das Mehl zum 
deutschen Schwarzbrote gab. Die nad) der Schweiz vordringenden 
Stämme fanden dort den Dinkelweizen oder Spelt, der noch jetzt 
in Süddeutschland angebaut wird, während die das heutige Frankreich 
besiedelnden Franken dort den Weizen kennen lernten. Am Rhein 
hattet: die Römer den Weinstock verbreitet. Aus Italien hatte man 
edle Obstsorten eingeführt, und auch in unserm Lande fing die 
Obstbaumzucht sich zu entwickeln an. Man lernte die Kunst des 
Pfropfens, uitd allmählich entstanden neben den einzelnen Gehöftetl 
umfriedigte Gartenanlagen; aber auch einzeln stehende Obstbäume 
waren zu finden, und der Frevel an Obstbäumen wurde strenge be¬ 
straft. In den Berichten ans jener Zeit werden neben den ursprünglich 
vorhandenen Kulturpflanzen schon Rüben, Bohnen, Erbsen und Linsen 
erwähnt. Der Ertrag der Äcker wurde da und dort durch Düngen 
und Mergeln erhöht. 
Noch waren die Wälder so groß, daß jeder nach Bedarf Brenn¬ 
holz und Reisig holen durfte, aber Bauholz durfte nicht mehr beliebig 
genommen werden. Als Ackergerät wird jetzt schon häufig der eiserne 
Pflug erwähnt, ebenso der Räderpflug und die Walze. Sicheln, 
Sensen, Hacken, Äxte, Schaufeln und Dreschflegel waren in Gebrauch. 
Gegen früher hatte der Bauernhof bessere Gestalt gewonnen. 
Es sind besondere Viehställe neben dem Wohnhause vorhanden. Das 
Rind steht in weiten Bezirken in höherem Ansehen als das Pferd, 
denn es ist nicht nur Zugtier, sondern es liefert auch Milch, woraus 
schon in ältesten Zeiten Butter und Käse bereitet wurden. Auch für 
das Getreide sind in diesem Zeitabschnitt bereits besondere Räume vor¬ 
handen, die Feime, Fimmen, Diemen oder Scheuern genannt werden. 
Neben den Hand mühten sind seit dem 4. Jahrhundert auch Wasser- 
mühlen und Windmühlen im Gebrauch. Auf größer:: Grundstücken 
findet man neben den genannten Gebäuden noch ein Badehaus, 
Backhaus, Kochhaus und Frauenhaus. Ziegelsteine und 
Kalkbrennereien waren schon vorhanden. Die gewöhnlichen Wohn¬ 
häuser hatten keine Zimmerdecke; der Wohnraum reichte vom Fußboden 
bis zum Dach. Der durch einen hohen Zaun umschlossene Hofraum 
war von zahlreichem Geflügel belebt; da waren nicht nur Gänse, Enten 
und Hühner, sondern manchmal auch Schwäne und Kraniche zu finden.
	        
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