Full text: [Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband]] (Abteilung 2 = Für die mittleren Klassen, [Schülerband])

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„Sieg!" ruft der Herold, „Sieg!" 
erschallt 
Der laute Ruf von jung und-lt. [60 
Der Schütz mit lässig stillem Schritt 
Vor feines Fürsten Augen tritt; 
Ihm winkt der Kranz, Trompetenton 
Begrüßt den Schützenkönig schon. 
Doch „halt!" so rust's vom Scheiben¬ 
stand, [65 
Es steht ein schlanker Jüngling dort; 
Euch ist der Jüngling wohlbekannt, 
Er kommt zu lösen nun sein Wort. 
Er spricht: „Gestrenger Herr und 
Graf, 
Ihr botet jedem Euren Becher! [70 
Wohl hielt sich Euer Schütze brav, 
Doch mir ist Arm und Blick nicht 
schwächer. 
Gestattet mir, den Schuß zu proben! 
Ihr sollt den bessern Schützen loben." 
Es winkt der Herr, die Bahn wird 
leer. [75 
Rings steht das Volk, ein brausend 
Meer; 
Durch alle schwirrt ein leiser Ton, 
Mitleid bei Fraun, bei Männern 
Hohn, 
Und nur dem Förster bange pochte 
Das Herz, wie er's auch hehlen 
mochte. [80 
Der fremde Jüngling neigt sich hold, 
Daß ihm der Locken sonnig Gold 
Als Schleier vor den Augen weht; 
Dann steht er aufrecht, fest und stät, 
Wirft Haupt und Haar sich ins 
Genick [85 
Und mißt die Bahn mit freiem Blick. 
Die Armbrust faßt er nun mit Kraft; 
Es war von Ebenholz ihr Schaft, 
Der Bügel, blau von Stahl und 
blank, 
Wie eine Glocke hell erklang. [90 
Mit Sorgfalt prüft der Schütz die 
Sehne, 
Ob-sie sich leicht und fügsam dehne; 
Selbst hat er sie in Winterstunden 
Aus wilden Marders Darm ge¬ 
wunden. 
Inmitten, wo die Sehne faßt [95 
Des Bolzes tödlich schwere Last, 
Da schürzt, daß nicht im Schuß sie 
springe, 
Zum Knoten er die Doppelschlinge. 
Und als die Spannung wohl voll¬ 
bracht, 
Die Sehne schnellt er nun mit 
Macht; [100 
Laut wie der Harfe höchste Saite 
Erklang der schneid'ge Ton ins Weite. 
Nun aus dem Köcher nimmt er 
Bolze, 
Geschnitzt aus festem Eichenholze; 
Er wählt den glättesten, derscharf [105 
Gekantet blanke Lichter warf. 
Er setzt den Bogen vor die Brust, 
Er spannt ihn leicht mit stolzer Lust, 
Und staunend sahn die Schützen an 
Den starken Arm bei zartem 
Mann. [110 
Wild blitzt sein Aug', aufs Ziel ge¬ 
wandt, 
Als wollt' er's sengen mit dem 
Brand; 
Doch bändigt er des Herzens Wellen, 
Die hoch in Siegeshossnung schwellen; 
Er kühlt sich den entflammten 
Sinn, [115 
Klar, fest und stille schaut er hin. 
Er drückt, der Bügel mächtig klingt. 
Laut schwirrend sich die Sehne 
schwingt, 
Es saust der Bolz. Er hat getroffen. 
Da stand mit weiter Spalte offen [120 
Des Försters Bolz, ihn schnitt ins 
Mark 
Des Jünglings Schuß gerecht und stark. 
Der Herold tritt zum Scheibenhaus, 
Er zieht die Bolzen beid' heraus 
Und legt sie in des Grafen Hand, [125 
Der staunend ob dem Wunder stand. 
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