Full text: Schleswig-holsteinischer Kinderfreund

Erzählungen und Gedichte. 
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König hörte auch davon, glaubte es nicht und liess das Büblein kommen. 
Da sprach er zu ihm: „Kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir vor¬ 
legen will, Antwort geben, so will ich dich halten wie mein eigen Kind, 
und du sollst bei mir in meinem königlichen Schlosse wohnen.“ Sprach 
das Büblein: „Wie lauten die drei Fragen?“ 
Der König sagte: „Die erste lautet: wie viel Tropfen Wasser 
sind in dem Weltmeer?“ Das Hirtenbüblein antwortete: „Herr König, 
lasst alle Flüsse auf der Erde verstopfen, damit kein Tröpflein mehr 
daraus ins Meer läuft, das ich nicht erst gezählt habe, so will ich Euch 
sagen, wie viele Tropfen im Meere sind.“ Sprach der König: „Die 
andere Frage lautet: wie viel Sterne stehen am Himmel?“ Das 
Hirtenbübchen sagte: „Gebt mir einen grossen Bogen weifses Papier!“ 
und dann machte es mit der Feder so viele feine Punkte darauf, dass 
sie kaum zu sehen waren und einem die Augen vergingen, wenn man 
darauf blickte. Darauf sprach es: „So viele Sterne stehen am Himmel 
als hier Punkte auf dem Papier; zählt sie nur!“ Aber niemand war 
dazu im stände. Sprach dar König: „Die dritte Frage lautet: wie 
viel Sekunden hat die Ewigkeit?“ Da sagte das Hirtenbüblein: „In 
Hinterpommern liegt der Demantberg, der hat eine Stunde in die Höhe, 
eine Stunde in die Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt 
alle hundert Jahre ein Yöglein und wetzt sein Schnäblein dran, und 
wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde der 
Ewigkeit vorbei.“ 
Da sprach der König: „Du hast die drei Fragen aufgelöst wie 
ein Weiser und sollst fortan bei mir in meinem königlichen Schlosse 
wohnen, und ich will dich halten wie mein eigen Kind.“ Gebr. Grimm. 
57. (147.) Die Sonne bringt es an den Tag. 
1. Gemächlich in der Werkstatt saß 
zum Frühtrunk Meister Nikolas. 
Die junge Hausfrau schenkt' ihm ein; 
es war im heitern Sonnenschein. — 
Die Sonne bringt es an den Tag. 
2. Die Sonne blinkt von der Schale Rand, 
malt zitternde Kringel an die Wand; 
und wie den Schein er ins Auge faßt, 
so spricht er für sich, indem er erblaßt: 
„Du bringst es doch nicht an den Tag." 
3. „Wer nicht? was nicht?" die Frau fragt gleich; 
„was stierst du so an? was wirst du so bleich?"
	        
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