Full text: Die weite Welt (Schulj. 7 u. 8)

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68. Vom Vater Blücher. 
Als in dem zweiten Befreiungskriege die Preußen über den Rhein 
auf Brüssel zu marschierten, war der Kaiser Napoleon zunächst darauf 
bedacht, unsern alten Blücher, den preußischen Heldengreis, anzugreifen, 
und am 16. Juni 1815 entbrannte eine heiße Schlacht bei Ligny. 
Unsererseits waren bereits alle Truppen im Gefechte gegen Napoleons 
Übermacht. Wir erwarteten englische Unterstützung, die uns ver¬ 
sprochen war; sie kam aber nicht, und schon brach die Dunkelheit 
herein. Unter ihrem Schutze war feindliches Fußvolk um das Dorf 
Ligny herumgeschlichen und griff die Unsern, die hinter den Häusern 
aufgestellt waren, plötzlich im Rücken an. Zu gleicher Zeit drang 
ein Eisenkeil von 4000 feindlichen Gardekürassieren an einer andern 
Stelle durch das Dorf. Da zog Blücher den Degen und führte eine 
Schar leichter Kavallerie selbst gegen die französischen Eisenreiter. 
Seine Leute wurden geworfen. Sein eignes Pferd traf ein Schuß. 
In wilden Sprüngen raste es mit ihm fort, die Feinde hinter ihm 
drein. Jetzt stürzte es zusammen, und der greise Feldmarschall lag 
betäubt unter dem toten Tiere. Sein getreuer Adjutant, Graf Nostitz, 
sprang ab und stellte sich mit gezogenem Degen neben ihn. Was er 
wollte, so hat er später gestanden, wußte er selbst nicht. Aber Gottes 
Auge wachte über dem Helden. Der Reitersturm zog vorüber; kein 
feindliches Auge hatte den Feldherrn erblickt; Nostitz war wieder mit 
ihm allein. Aber nicht lange, da brausten die Reiter zum zweiten 
Male vorüber, von den Unsern zurückgeworfen. Doch wieder waren 
sie wie mit Blindheit geschlagen. Die Unsern jagten hinter ihnen 
drein. Schnell hielt Nostitz einen Husaren an. Mit Mühe wurde 
der Feldmarschall unter dem toten Pferd hervorgezogen und auf das 
Husarenpferd gesetzt. Es war die höchste Zeit, denn schon drangen 
die feindlichen Reiter aufs neue vor. Unser Fußvolk, hinter Ligny 
im Dunkel des Abends überfallen, rings umbraust von feindlichen 
Reitern, zog sich geordnet in geschlossenen Massen zurück. Alle An¬ 
griffe der feindlichen Reiterei schlug es kaltblütig mit Bajonett und 
Gewehrfeuer ab. Eine Viertelstunde hinter dem Schlachtfelde stellte 
sich unser Heer wieder auf. Der Feind wagte nicht, dasselbe zu ver¬ 
folgen. Das Schlachtfeld war verloren, aber nicht die Ehre, nicht 
der Mut. Denn schon am folgenden Tage versprach der Feldmar¬ 
schall dem englischen Befehlshaber Lord Wellington, daß er ihm am 
18. mit seinem ganzen Heere zu Hilfe kommen wolle. 
Am 17. ließ er die Armee in Parade an sich vorbeimarschieren, 
damit die Soldaten bei dem stolzen Paradezuge die gestrigen Unfälle 
vergessen sollten. So neigte sich der Tag des 17. Juni. Inzwischen 
waren die Engländer im Anmarsche, und Napoleon ging ihnen ent¬ 
gegen, um eine Verbindung mit den Preußen zu verhindern. Schon 
am folgenden Tage, am 18. Juni, stand er ihnen unweit Brüssel in 
Schlachtordnung gegenüber. Der Herzog von Wellington hatte seine 
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