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Hagen Tafel und stieg dann um zwei Uhr noch einmal auf den Boden,
ohne die Kanonenkugeln zu achten, die über den Edelhof Hinwegstogen.
Plötzlich gab er Befehl zum Aufbruche. In weniger als einer
halben Stunde war das preußische Lager abgebrochen, zum Staunen
des Feindes, der an diesem Tage gründlich belehrt werden sollte,
wie rasch und gewandt die „schwerfälligen" Deutschen sein können.
Jetzt standen Friedrichs Krieger geordnet unter den Waffen, der linke
Flügel unter Anführung des Königs, der rechte, welcher die Reichs¬
armee gegenüber hatte, unter dem Herzog von Braunschweig. Der
Zufall wollte, daß eine Menge Hasen, durch den Donner des Ge¬
schützes aus ihren Lagern aufgeschreckt, zwischen beiden Heeren um¬
herirrten. Einer derselben wurde von einer französischen Kugel vor
der Front der Preußen zerschmettert. Da riefen diese: „Es wird
gut gehen, die Franzosen schießen sich selber tot." Und ein heiteres
Gelächter lief durch die Reihen.
Die Preußen lehnten sich an eine Anhöhe, die Friedrich mit
Geschütz bepflanzen ließ. Plötzlich bricht Sey blitz, der verdeckt hinter
jenem Hügel gestanden hatte, hervor. Bevor er zum Angriffe schreitet,
sprengt er weit vor seine Front und schleudert vor den Augen der
ganzen Linie seine Thonpfeife in die Luft, als Zeichen, daß es jetzt
Zeit sei, zum Schwerte zu greisen, und nun stürzen seine Schwadronen
mit solcher Wucht auf die zahlreichere feindliche Reiterei, daß sie in
wenigen Minuten über den Haufen geworfen ist. Von der Höhe donnerten
die preußischen Batterien, als wenn Erd' und Himmel zusammen¬
stürzen wollten, wie ein Augenzeuge sagt. Im Sturmschritte fällt
nun das preußische Fußvolk vom linken Flügel, unter Führung des
Königs, auf die Infanterie des rechten Flügels der Franzosen. Zwei
Grenadierbataillone kommen durch eine Seitenbewegung dem Feinde
in den Rücken; das Flankenfeuer, das er unverhofft empfängt, bestürzt
und verwirrt ihn. Er wirft sich auf seinen linken Flügel, wo die
Reichsvölker stehen. Die Verwirrung ist unsäglich; wie Würgengel
fallen die preußischen Schwadronen über diesen Menschenknäuel her;
Flucht oder Tod ist jetzt die Losung. Selten ist eine so glorreiche
Schlacht so rasch und mit so wenig Opfern geschlagen worden. Schon
gleich anfangs waren die buntgemischten Reichsvölker wie Spreu vor¬
dem Winde auseinander gestoben; nach kaum anderthalbstündiger
Gegenwehr wenden auch die Franzosen den Rücken. Es war ein
dahinstürzender Strom, ein Meer von Verfolgten und Verfolgern,
und nur die früh einbrechende Novembernacht rettete die Trümmer
des feindlichen Heeres. Die wilde Jagd, der sie ein Ziel setzte, ward
am folgenden Tage wieder fortgesetzt. Merkwürdigerweise büßte der
Feind nur 600 bis 700 Mann an Toten, dagegen 2000 an Ver¬
wundeten und 5000 an Gefangenen ein, unter denen weit über 300
Offlziere; dazu kam eine gute Zahl Kanonen, Fahnen und Standarten
samt großem Kriegsvorräte. Friedrichs eigener Verlust betrug nicht
mehr als 91 Tote und 274 Verwundete. Als man das französische