Full text: Für die zweite und erste Klasse der Gymnasien und Realschulen (Teil 3)

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Bereicherung der Ansichten hervorgebracht, zeugt die ganze abendländische 
Litteratur; es zeugen selbst dafür, wie bei allem, was unsre Einbildungs¬ 
kraft in Beschreibung erhabner Naturscenen anspricht, die Zweifel, welche bei 
den griechischen und in der Folge bei den römischen Schriftstellern die Be¬ 
richte des Megasthenes, Nearchos, Aristobulos und andrer Begleiter Alexanders 
erregt haben. Diese Berichterstatter, der Färbung und dem Einfluß ihres 
Zeitalters unterworfen, Thatsachen und individuelle Meinungen eng mit¬ 
einander verwebend, haben das wechselnde Schicksal aller Reisenden, die 
Oscillation zwischen anfänglichem bitterem Tadel und später mildernder 
Rechtfertigung, erfahren. Die letztere ist in unsern Tagen um so häufiger 
eingetreten, als tiefes Sprachstudium des Sanskrit, als allgemeinere Kenntnis 
einheimischer geographischer Namen, als baktrische, in indischen Grabhügeln, 
sog. Topen, ausgefundne Münzen und vor allem eine lebendige Ansicht des 
Landes und seiner organischen Erzeugnisse der Kritik Elemente verschafft 
haben, die dem vielverdammenden Eratosthenes, dem Strabo und Plinius bei 
ihrem so einseitigen Wissen unbekannt blieben. 
Wenn man nach Unterschieden der Längengrade die Erstreckung des 
ganzen Mittelmeeres mit der Entfernung von Westen nach Osten vergleicht, 
welche Kleinasien von den Ufern des Hpphasis (Beas), von den Altären 
der Rückkehr trennt, so erkennt man, daß die Erdkunde der Hellenen in 
wenigen Jahren um das Zwiefache vermehrt wurde. Um nun näher zu 
bezeichnen, was ich ein durch Alexanders Heerzüge und Städtegründung so 
reichlich vermehrtes Material der physischen Geographie und Natur¬ 
kunde genannt habe, erinnere ich zuerst an die neu gesammelten Er¬ 
fahrungen über die besondre Gestaltung der Erdoberfläche. In den durch¬ 
zogenen Ländern kontrastieren Tiefländer (pflanzenleere Wüsten oder Salz- 
steppen, wie nördlich von der Asferahkette, einer Fortsetzung des Thianschan, 
und vier große angebaute Stromgebiete, des Euphrat, Indus, Oxus und 
Jäxartes) mit Schneegebirgen von fast 19,000 Fuß Höhe. Der Hindu 
Kho oder indische Kaukasus der Macedonier ist in seiner Erstreckung gegen 
Herat hin in zwei große, das Kafiristan begrenzende Ketten geteilt; die 
südlichere dieser Ketten ist die mächtigere. Alexander gelangte durch das 
noch 8000 Fuß hohe Plateau von Bamian, in dem man die Höhle des 
Prometheus zu sehn wähnte, ans den Kamm des Kohibaba, um über 
Kabnra, längs dem Choes, etwas nördlich vom jetzigen Attok, über den 
Indus zu setzen. Vergleichung des niedrigen Taurus, an den die Griechen 
gewöhnt waren, mit dem ewigen Schnee des Hindu Kho, welcher bei 
Bamian erst in 12,200 Fuß Höhe beginnt, muß Veranlassung gegeben 
haben, hier in einem kolossaleren Maßstabe das Übereinanderliegen der
	        
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