Full text: Für die zweite und erste Klasse der Gymnasien und Realschulen (Teil 3)

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spätere Übertreibungen und mißverstandne Traditionen des Plinius und 
andrer zu halten. 
Die macedonische Expedition, welche einen großen und schonen Teil 
der Erde dem Einflüsse eines einzigen und dazu eines so hochgebildeten 
Volkes eröffnete, kann demnach im 'eigentlichsten Sinne als eine wissen¬ 
schaftliche Expedition betrachtet werden: ja, als die erste, in der ein 
Eroberer sich mit Gelehrten aus allen Fächern des Wissens, mit Natur¬ 
forschern, Landmessern, Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern um¬ 
geben hatte. Unter deit geistreichen Begleitern des Königs glänzte vor allen 
ein Verwandter des Aristoteles, Kallisthenes aus Olynth. Durch die ernste 
Strenge seiner Sitten und die ungentessene Freiheit seiner Rede ward er 
dem schon von seiner edeln und Hoheit Sinnesart herabgesunkenen Fürsten 
wie dessen Schmeichlern verhaßt. Kallisthenes zog unerschrocken die Freiheit 
dem Leben vor, und als man ihn zu Baktra in die Verschwörung des 
Hermolaos und der Edelktiaben schuldlos verivickelte, ward er die unglück¬ 
liche Veranlassung zu der Erbitterung Alexanders gegen seinen früheren 
Lehrer. Theophrast, des Olynthiers gemütlicher Freund unö Mitschüler, 
hatte den Biedersinn, ihn nach seinem Sturze öffentlich zu verteidigen. Von 
Aristoteles wissen wir nur, daß er ihn vor seiner Abreise zur Vorsicht ge¬ 
mahnt und, durch den langen Aufenthalt bei Philipp von Macedonien des 
Hoflebens, tvie es scheint, sehr kundig, ihm geraten habe: „mit dem König 
so weitig als möglich, und wenn es seilt müßte, immer beifällig zu reden." 
Von anserwählten Männern aus der Schule des Stagiriten unterstützt, 
hatte Kallisthenes, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertrauter 
Philosoph, in deil neu aufgeschlossiten weiteren Erdkreisen die Forschnngeit 
seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle 
und das mächtige Tierreich, llicht die Gestaltung des Bodens oder die 
Periodicität des Anschwellens der großen Flüsse konnten allein die Auf¬ 
merksamkeit fesseln; der Mensch unb seine Geschlechter in ihren mannig¬ 
faltigen Abstnsungen der Färbung und Gesittung mußten nach dem eignen 
Ausspruche des Aristoteles als der Mittelpunkt unb Zweck der ge¬ 
samten Schöpfung erscheineil: „als komme der Gedanke des göttlicheil 
Tenkells hielliedell erst in ihm zum Bewußtsein. " Aus dem Wenigen, was 
Nils von deil Berichten des im Altertum so getadelten Onesikritos 
übrig ist, ersehen wir, wie sehr man in der macedonischen Expedition, weit 
zum Sonnenaufgang gelaiigend, verwundert war, zwar die von Herodot ge¬ 
nannten dunkelfarbigen, den Äthiopen ähnlichen indischen Stämme, 
aber nicht die afrikanischen kraushaarigen Neger zu finden Mall beachtete 
scharf dell Einfluß der Atmosphäre ans Färbung, die verschiedene Wirkung
	        
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