fullscreen: Lesebuch für Volksschulen

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jetzt, wo ich zum Doktor soll. Wenn's mir doch nur ein wenig in den Ohren 
brauste, oder das Herzwasser lief mir!" Als er zum Doktor kam, nahm ihn der 
bei der Hand und sagte: „Jetzt erzählt mir denn noch einmal von Grund aus, 
was Euch fehlt." Da sagte er: „Herr Doktor, mir fehlt gottlob nichts, und wenn 
Ihr so gesund seid wie ich, so soll's mich freuen." Der Doktor sagte: „Das hat 
Euch ein guter Geist geraten, daß Ihr meinem Rate gefolgt seid. Der Lindwurm 
ist jetzt abgestanden. Aber Ihr habt noch Eier im Leibe, deswegen müßt Ihr 
wieder zu Fuß heimgehen und daheim fleißig Holz sägen. Ihr dürft auch nicht 
mehr essen, als Euch der Hunger ermahnt, damit die Eier nicht ausschlüpfen, so 
könnt Ihr ein alter Mann werden," und lächelte dazu. Aber der reiche Fremd¬ 
ling sagte: „Herr Doktor, Ihr seid ein feiner Kauz, und ich verstehe Euch wohl!" 
Und er ist nachher dem Rat gefolgt und hat 87 Jahre 4 Monate 10 Tage 
gelebt wie ein Fisch im Wasser so gesund, und hat alle Neujahr dem Arzte 20 
Dublonen zum Gruß geschickt. H^-l. 
109. Bom Branntweintrinken. 
Das Branntweintrinken ist der größte Krebsschaden unserer Zeit. Ein Arbeiter, 
der jeden Tag auch nur für 15 Pfennig Schnaps kauft, giebt doch in einem Jahre 
mehr als 50 Mark dafür ans. 
Aber der Arbeiter sagt: „Ich kann den Schnaps nicht entbehren; denn er 
giebt mir Lebensmut und stärkt meine Glieder!" Das ist jedoch ein großer Irr¬ 
tum. Der Branntwein giebt nämlich gar keine Kraft; denn er besitzt nichts, was 
den Körper nähren und kräftigen könnte. Nur eins thut er: er dringt ins Blut 
und regt das Gehirn an. Dadurch steigert er das Wohlgefühl, bewirkt eine heitere 
Stimnmng und vermehrt scheinbar die körperliche Kraft. Es ist mit dem Brannt¬ 
wein wie mit der Peitsche. Wenn die Pferde müde und matt sind, werden sie 
durch die Peitsche zu neuer Arbeit getrieben. Es wird aber doch niemand be¬ 
haupten wollen, daß die Peitsche den Pferden Kraft verliehen habe. Gerade so 
verhält es sich mit dem Branntwein. Er regt nur an, aber er stärkt nicht. 
Noch schlimmer aber ist es, daß der Schnaps der Gesundheit schadet! Der 
Schnaps macht das Blut wässerig und stört bald die Thätigkeiten des Magens, 
der Leber, der Nieren und des Herzens. Ganz besonders schädlich wirkt er ans 
das Gehirn, namentlich wenn er oft und viel genossen wird. Das Gedächtnis des 
Trunksüchtigen wird schwach, seine Willenskraft gelähmt. Der Trinker wird auch 
bald gereizt mib läßt sich leicht zu rohen Thaten hinreißen. Er verliert Lust und 
Liebe zur Arbeit, die Seinen werden ihm gleichgültig, und endlich bringt ihn der 
Wahnsinn ins Irrenhaus. 
Die Erfahrung hat gelehrt, daß beim Ausbruch von Seuchen (Ruhr, Cholera 
u. s. w.) die Trinker zuerst davon ergriffen werden und ihr meist zum Opfer 
fallen. Selten erreicht der Trinker ein hohes Alter; oft macht er seinem traurigen 
Leben durch Selbstmord ein Ende. , Nach Jütting u. a. 
Treu und ehrlich. 
110. Die Äxte. 
Ein armer Holzhauer wollte Weiden füllen, die dicht am Rande eines tiefen 
Flusses standen. Gleich beim ersten Baume that er einen Fehlhieb, die Axt glitt 
vom Stiele und fiel ins Wasser. „Ich unglücklicher Mann," rief er ans, „womit 
soll ich nun für meine hungrigen Kinder Brot verdienen?" und weinte bitterlich;
	        
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