2{. Johann Christoph Friedrich von Schiller.
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Lotte ein behagliches Leben zu schaffen; daneben wollte er gar zu gern die Mittel zu einer Reise
in die Heimat, zu den teuren Eltern erwerben. Außer seinen schriftstellerischen Arbeiten hatte er
täglich mehrere Stunden mit der Vorbereitung auf seine Vorlesungen an der Universität zuthun-,
die Beiträge zur „rheinischen Thalia", die er noch in Mannheim gegründet hatte, mußte er fast
allein liefern, nicht viel anders verhielt es sich mit den Arbeiten für den „Merkur". Aber dieser
Arbeitslast war der durch die Fieberanfälle in Mannheim geschwächte Körper nicht gewachsen.
Ende Dezember 1790 erkrankte er, und als er zu früh seine Vorlesungen wieder aufgenommen
hatte, trat im Januar 1791 ein heftiger Rückfall ein, der ihn dem Tode nahe brachte. Gattin,
Schwägerin und Zuhörer aus seinen Vorlesungen wetteiferten in der Pflege des Schwerkranken.
Er genas, aber die Folgen der Krankheit, Atembeklemmungen, Schmerzen und Husten verließen
ihn nie wieder. Schreiben und Diktieren waren ihm strengstens verboten, kein Verbot aber gab
es gegen die unablässig und mächttg in ihm arbeitenden schöpferischen Gedanken.
Die Übersetzung der„Äneis", die Vollendung „des dreißigjährigen Krieges" und der Plan zum
„Wallenstein" beschäftigten seinen regen Geist unablässig. Die Vorlesungen konnte er vorläufig
nicht wieder aufnehmen, die Einnahmen aus denselben fehlten; mit der Feder konnte er auch nichts
verdienen. Trotzdem ermöglichte er es, mit seiner Gattin zu einer Kur nach Karlsbad zu gehen:
auch hier rastete er nicht, im benachbarten Eger trieb er Vorstudien zum „Wallenstein". Rach
seiner Rückkehr nach Jena wurde seine äußere Lage immer drückender, zu den alten Schulden waren
neue gekommen; immer neue Krampfanfälle machten ihn arbeitsunfähig. Das schreckliche Gespenst
der Not stand vor der Zukunft, Todesahnungen und die nagende Sorge um das Los seiner Lotte
quälten ihn. Da trat ein Ereignis ein, das ihn nicht nur aus seinen drückenden Geldsorgen be¬
freite, sondern auf seinen Körper- und Seelenzustand wie ein Wunder-Heilmittel wirkte. Der
Herzog Christian Friedrich von Holstein-Augustenburg und sein Minister Graf Schimmelmann,
die beide für Schillers Schriften begeistert >varen, boten ihm in einem liebenswürdigen Schreiben
auf drei Jahre ein jährliches Gehalt von 1000 Thalern in so zarter Weise an, daß Schiller die
Gabe unbedenklich annehmen konnte.
Nun war die Nacht der Sorgen überstanden, freier konnte er in die Zukunft sehen, die drückende
Last der alten Schulden konnte er von sich abwälzen. Als er die Schuldscheine, für die Körner
gebürgt hatte, einlösen wollte, erfuhr er, daß der großherzige Freund die Scheine längst vernichtet
hatte, ohne auch nur die Summen zu notieren.
Im April 1792 besuchte Schiller mit den Seinen die Körnersche Familie in Dresden; für die
längst ersehnte Reise in die Heimat fehlten ihm aber noch die körperlichen Kräfte. Um seines
Herzens und der Mutter Sehnsucht zu stillen, lud er sie und seine jüngste Schwester Nanette nach
Jena ein; Mutter und Sohn sahen sich nach zehnjähriger Trennung in tiefer Bewegung wieder.
Der Sommer des folgenden Jahres brachte endlich das Wiedersehen von Vater und Sohn in der
Heimat; der Herzog Karl Eugen legte dem ehemaligen Karlsschlller und Flüchtling kein Hindernis
in den Weg. Im heimatlichen Ludlvigsburg wurde dem Dichter auch sein erstes Söhnlein geboren.
Das waren glückliche Monate, zumal auch die warme Luft des Südens seiner kranken Brust sehr
wohlthat; erst im Mai 1794 kehrte er nach Jena zurück. Krankheit und Freude hatten ihn förmlich
-verklärt, es lag wie eine Weihe auf ihm.
III. Auf der Höhe dichterischen Schaffens.
1. Das Zusammenwirken mit Goethe.
(Über die Annäherung der beiden Dichterfürsten an einander ist das Nähere bei Goethe nachzulesen.)
Nachdem Schiller mit seinen philosophischen und Geschichtsstudien zum Abschlüsse gelangt war,
regte sich in ihm der dichterische Trieb wieder stärker; er hatte schon länger den Plan gefaßt, den
geschichtlichen Wallenstein zu einem tragischen Helden umzugestalten, die umfassendsten Vorstudien
dazu waren 1796 beendet; nun begann die dichterische Arbeit; die anfänglich in Prosa geschriebenen
Scenen wandelte er in Jamben um. Der Stoff wuchs unter seinen Händen riesengroß an, sodaß
sich Schiller entschloß, das Werk in zwei Dramen und ein Vorspiel zu teilen.
Der Erweiterungsbau des Weimarer Theaters wurde am 12. Oktober 1798 mit „Wallensteins
Lager" eröffnet; an die Umgestaltung und Vollendung der beiden Hauptteile setzte Schiller seine
ganze Kraft, so daß diese im Januar und April 1799 zur Aufführung gelangten. Mit dem regsten
Anteil hatte Goethe die Entstehung des Riesendramas verfolgt, mit unendlicher Liebe und Sorg¬
falt hatte er die Proben geleitet und freute sich nun neidlos mit dem Dichter des unbeschreiblichen
Erfolgs.
Trotzdem Schillers leibliche Kräfte erschöpft waren, gönnte er sich keine Ruhe; er wollte, in
der gewissen Vorahnung, daß ihm die Spanne seines Lebens kurz bemessen sei, „wirken, so lange
es ^ag war". So vollendete er im Jahre 1800 „Maria Stuart", 1801 „die Jungfrau von Orleans",
1803 „die Braut von Messina", 1804 den „Tell", und zu jedem dieser Dramen waren abermals
die umfassendsten geschichtlichen Studien notwendig.
Neue Krankheitsanfälle und tiefe seelische Erschütterungen suchten ihn heim: Im Jahre 1796
Karben Nanette und der Vater. Die Sorge um die Mutter, der er einen sorgenlosen Lebensabend
bereiten wollte^erfüllte sein Herz (f. den Brief an die Mutter); im Jahre 1802 wurde auch sie
ihm durch den Tod entrissen. Seine dramatische Thätigkeit wurde durch zahlreiche andere Dichtungen
unterbrochen, die er für den Musenalmanach schrieb („Pegasus im Joche", „Macht des Gesanges",
„Ideal und Leben", „Das verschleierte Bild zu Sais", „Würde der Frauen", Teilung der Erde",
„Spaziergang"). Dann kam das Xenienjahr (s. Goethe!), ihm folgte das Balladenjahr 1797
(.„Taucher", „Handschuh", „Ring des Polykrates", „Ritter Toggenburg", „Kraniche des Jbykus",