Full text: Vierunddreißig Lebensbilder aus der deutschen Litteratur

6. Sebastian Braut. 
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Ter ist ein Narr und großer Thor, 
der Werkern zahlt den Lohn zuvor. 
Man steht sie bald im Fleiß erschlaffen, 
die nicht ans künft'ge Zahlung schaffen, 
5 nicht viel wird um den Lohn gethan, 
der schon verzehrt ist und verthan. 
Denn vorgegesien Brot auf dem Tisch 
macht uns zur Arbeit selten frisch. 
Hätte man voraus mir wollen lohnen, 
10 daß ich der Narren sollte schonen, 
ich hatte mich nicht dran gekehrt, 
es wär' auch jetzo wohl verzehrt. 
Hätt' ich dies Buch um Geld gemacht, 
geringen Lohn würd' ich ersehn, 
15 ich hätt' es längst auch lassen stehn. 
Nun ist es Gott zulieb geschehn 
und wohl zum Nutzen auch der Welt. 
Ich hab es nicht um Gunst und Geld, 
noch auch um zeitlich Gut gethan; 
20 des ruf' ich Gott zum Zeugen an; 
und weiß doch, daß ich um mein Schreiben 
nicht ungescholten mag verbleiben. 
Von Guten will ich's gern ertragen, 
mich schelten lassen mit Behagen; 
25 denn Gott erkennt das zur Genüge 
steht etwas hier, woran ich lüge, 
ein Wort nur wider Gottes Lehre, 
der Seelen Heil, Vernunft und Ehre, 
so will ich gern die Straf' erdulden, 
30 am Glauben möcht' ich nichts verschulden, 
und bitte jedermann, mir das 
zugut zu halten, ohne Haß 
und nicht im Bösen auszudeuten. 
Denn nicht zum Ärgernis den Leuten 
35 schrieb ich's, aus feindlichem Gemüt. 
Aber ich weiß doch, mir geschieht 
wie der Blume wohl, die duftend blüht, 
ans der die Biene Honig zieht, 
kommen aber daran die Spinnen, 
40 mögen sie Gift daraus gewinnen. 
Das wird an mir auch nicht gespart, 
ein jedes thut nach seiner Art. 
Wo nichts Gutes ist in einem Hans, 
trägt man nichts Gutes auch hinaus. 
45 Wer nicht gern hört von Weisheit sagen, 
wird oft sich über mich beklagen, 
doch was er für ein Gaukelmann, 
hört man wohl seinen Worten an. 
Wer Ohren hat, der hör' und lerne; 
50 schweig' Mund, der Wolf ist mir nicht ferne. 
Wer will, der les' dies Narrenbnch, 
ich weiß wohl, wo mich drückt der Schuch. 
Drum, wenn sie schelten wollen mich 
und sprechen: „Arzt, heil' selber dich; 
55 denn du bist auch in unsrer Rotte!" 
„Ja," sag' ich, „ich gesteh' es Gotte, 
daß ich viel Thorheit hab' begangen, 
und noch im Narrenschiff muß prangen. 
Wie stark ich auf die Kappe schlage, 
60 nicht gerät's, daß ich sie ganz verjage, 
doch hab' ich Ernst verwandt und Fleiß, 
daß ich nun, wie du selbst wohl weißt, 
Narrheit erkenn' und Narren viel, 
und hoffe, mich, komm' ich ans Ziel, 
65 klüglich zu bessern mit der Zeit, 
wenn Gott mir so viel Gnade leiht. 
Schau' jeder so, daß er nicht fehle, 
wie viel man ihn um Narrheit strähle, 
nicht der Kolbe greift in seiner Hand, 
70 des sei ein jeder Narr gemahnt. 
So schließt Sebastianns Braut, 
der jedem zu der Weisheit rät, 
wer er auch ist, und wo er steht; 
kein guter Werkmann kommt zu spät. 
II. Zeugnisse. 
1. Hat nicht von Straßburg Dr. Brant 
im Narrenschiff gestraft jeden Stand, 
die Narren große Weisheit gelehrt, 
weil man ernsthafte Dinge nicht gerne hört? 
Joh. Fischart. 
2. Das Buch zeigt, wie viel der Narren sind, 
die eitel Thorheit machte blind, 
die tanzen will am Narrenseil. 
Dies Schiff' bringt uns der Seelen Heil: 
Es lehrt uns aller Tugend Wesen, 
wenn wir es mit Vernunft durchlesen, 
bewahrt uns vor tödlichem Schaden 
und führt zu himmlischen Gestaden; 
wenn man es gründlich hätt’ erkannt, 
würd’ es das Schiff des Heils genannt. 
Onufrius Brant, Sohn des Dichters.
	        
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