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dächtiges Loch zeigen wollte, so wußte sie doch immer wieder eine geheime
Ader des Breies zu eröffnen oder langte kurzweg in offenem Friedensbruch
mit ihrem Löffel und mit lachenden Augen in des Bruders gefüllte Grube.
Alsdann warf er den Löffel weg, lamentierte und schmollte, bis die gute
Mutter die Schüssel zur Seite neigte und ihre eigene Brühe roll in das
Labyrinth der Dämme und Kanäle ihrer Kinder strömen ließ.
3. So lebte die kleine Familie einen Tag wie den andern, und indem
dies immer so blieb, während doch die Kinder sich auswuchsen, ohne daß
sich eine günstige Gelegenheit zeigte, die Welt zu erfassen und irgend
etwas zu werden, fühlten sich alle immer unbehaglicher und kümmerlicher
in ihrem Zusammensein. Pankraz, der Sohn, tat und lernte fortwährend
nichts als eine sehr ausgebildete und künstliche Art zu schmollen, mit welcher
er seine Mutter, seine Schwester und sich selbst quälte. Es ward dies eine
ordentliche und interessante Beschäftigung für ihn, bei welcher er die müßigen
Seelenkräfte fleißig übte im Erfinden von hundert kleinen häuslichen Trauer¬
spielen, die er veranlaßte, und in welchen er behende und meisterlich den
steten Unrechtleider zu spielen wußte. Estherchen, die Schwester, wurde da¬
durch zu reichlichem Weinen gebracht, durch welches aber die Sonne ihrer
Heiterkeit schnell wieder hervorstrahlte. Diese Oberflächlichkeit ärgerte und
kränkte dann den Pankraz so, daß er immer längere Zeiträume hindurch
schmollte und aus selbstgeschaffenem Ärger selbst heimlich weinte.
Doch nahm er bei dieser Lebensart merklich zu an Gesundheit und
Kräften, und als er diese in seinen Gliedern anwachsen fühlte, erweiterte
er seinen Wirkungskreis und strich mit einer tüchtigen Vaumwurzel oder
einem Besenstiel in der Hand durch Feld und Wald, um zu sehen, wie
er irgendwo ein tüchtiges Unrecht auftreiben und erleiden könne. Sobald
sich ein solches zur Not dargestellt und entwickelt, prügelte er unoerweilt
seine Widersacher auf das jämmerlichste durch, und er erwarb sich und
bewies in dieser seltsamen Tätigkeit eine solche Gewandtheit, Energie und
feine Taktik, sowohl im Ausspüren und Aufbringen des Feindes als im
Kampfe, daß er sowohl einzelne ihm an Stärke weit überlegene Jünglinge
als ganze Trupps derselben entweder besiegle oder wenigstens einen un¬
gestraften Rückzug ausführte.
War er von einem solchen wohlgelungenen Abenteuer zurückgekommen,
so schmeckte ihm das Essen doppelt gut, und die Seinigen erfreuten sich
dann einer heiteren Stimmung. Eines Tages aber war es ihm doch be¬
gegnet, daß er, statt welche auszuteilen, beträchtliche Schläge selbst ge¬
erntet hatte, und als er voll Scham, Verdruß und Wut nach Hause kam,
hatte Estherchen, welches den ganzen Tag gesponnen, dem Gelüste nicht
widerstehen können und sich noch einmal über das für Pankraz aufgehobene
Essen hergemacht und davon einen Teil gegessen, und zwar, wie es ihm
vorkam, den besten. Traurig und wehmütig, mit kaum verhaltenen Tränen
Niedersächsisches Lesebuch sür Mittelschulen. Teil IIIB. 1912. 2