326 
wohnen, aber oft blutgierig den Menschen anfallen, für dessen Vertheidigung 
ihre Stammväter kämpften. 
6. Gleich der Wüste Sahara liegen die Llanos oder die nördlichste 
Ebene von Südamerika in dem heißen Erdgürtel. Dennoch erscheinen sie in 
jeder Hälfte des Jahres unter einer verschiedenen Gestalt: bald verödet, 
wie das libysche Sandmeer, bald eine Grasstur, wie die hohe Steppe von 
Mittelasien. Es ist ein belohnendes, wenngleich schwieriges Geschäft der 
allgemeinen Länderkunde, die Naturbeschaffenheit entlegener Erdstriche mit 
einander zu vergleichen und die Resultate dieser Vergleichung in wenigen 
Zügen darzustellen. Mannigfaltige, zum Theil noch wenig entwickelte Ur¬ 
sachen vermindern die Dürre und Wärme des neuen Welttheils. Schmal¬ 
heit des mannigfaltig eingeschnittenen Kontinents, seine weite Ausdehnung 
gegen die beeisten Pole hin, der freie Ocean, über den die tropischen Winde 
wegblasen, Flachheit der östlichen Küsten, Ströme kalten Meereswassers, 
welche vom Feuerlande bis gegen Peru hin nördlich vordringen, die Zahl 
quellenreicher Gebirgsketten, deren schneebedeckte Gipfel weit über alle 
Wolkenschichten emporstreben, die Fülle ungeheurer Ströme, welche nach 
vielen Windungen stets die entfernteste Küste suchen, sandlose und darum 
minder erhitzbare Steppen, undurchdringliche Wälder, welche die stußreiche 
Ebene am Äquator ausfüllen, und im Innern des Landes, wo Gebirge 
und Ocean am entlegensten sind, ungeheure Massen theils eingesogenen 
theils selbsterzeugten Wassers aushauchen: alle diese Verhältnisse gewähren 
dem flachen Theile von Amerika ein Klima, das mit dem afrikanischen 
durch Feuchtigkeit und Kühlung wunderbar kontrastirt. In ihnen allein 
liegt der Grund jenes üppigen, saftstrotzenden Pflanzenwuchses, welcher den 
eigenthümlichen Charakter des neuen Kontinents bezeichnet. 
7. Wird daher eine Seite unsers Planeten luftfeuchter als die andere 
genannt, so ist die Betrachtung des gegenwärtigen Zustandes der Dinge 
hinlänglich, das Problem dieser Ungleichheit zu lösen. Der Physiker braucht 
die Erklärung solcher Naturerscheinungen nicht in das Gewand geologischer 
Mythen zu hüllen. Es bedarf der Annahme nicht, als habe sich auf dem 
uralten Erdkörper ungleichzeitig geschlichtet der verderbliche Streit der Ele¬ 
mente, oder als sei aus der chaotischen Wasserbedeckung Amerika später als 
die übrigen Welttheile hervorgetreten, ein sumpfreiches, von Krokodilen und 
Schlangen bewohntes Eiland. Allerdings hat Südamerika nach der Ge¬ 
stalt seines Umrisses und der Richtung seiner Küsten eine auffallende Ähn¬ 
lichkeit mit der südwestlichen Halbinsel des alten Kontinents. Aber innere 
Struktur des Bodens und relative Lage zu den angrenzenden Lündermassen 
bringen in Afrika jene wunderbare Dürre hervor, welche in unermeßlichen 
Räumen der Entwickeluu.g des organischen Lebens entgegensteht. Vier Fünf¬ 
theile von Südamerika liegen jenseits des Äquators, also in einer Hemi¬ 
sphäre, welche wegen der größern Wassermenge und wegen mannigfaltiger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.