216. Der Ring des polykrates.
Von Schiller.
1. Er stand auf feines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrschte Samos hin.
„Dies alles ist mir unterthänig,
Begann er zu Ägyptens König,
Gestehe, daß ich glücklich bin."
2. „Du hast der Götter Gunst erfahren!
Die vormals deinesgleichen waren,
Sie zwingt jetzt deines Scepters Macht.
Doch einer lebt noch, sie zu rächen;
Dich kann mein Mund nicht glücklich sprechen,
Solang des Feindes Auge wacht."
3. Und eh der König noch geendet,
Da stellt sich, von Milet gesendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
„Laß, Herr, des Opfers Düfte steigen,
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein festlich Haar!
4. Getroffen sank dein Feind vom Speere,
Mich sendet mit der frohen Märe
Dein treuer Feldherr Polydor".
Und nimmt aus einem schwarzen Becken
Noch blutig, zu der beiden Schrecken,
Ein wohlbekanntes Haupt hervor.
5. Der König tritt zurück mit Grauen:
„Doch warn ich dich dem Glück zu trauen,
Versetzt er mit besorgtem Blick.
Bedenk, auf ungetreuen Wellen —
Wie leicht kann sie der Sturm zerschellen!^—
Schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück."
6. Und eh er noch das Wort gesprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Rhede jauchzend schallt.
Mit fremden Schätzen reich beladen
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.