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der Freiheit und Gleichberechtigung aller Völker der Erde, soweit sie das 
erforderliche Maß von Gesittung erreicht haben. Das entspricht dem deutschen 
Wesen; in diesem Sinne möchten wir das vielzitierte prophetische Wort eines 
unserer edelsten Dichter fassen, daß am deutschen Wesen noch einmal die Welt 
genesen soll). Das ist der Sinn der deutschen Weltpolitik, das ist auch der 
Sinn dieses Krieges. Wir führen ihn nicht als Angreifer, um einer unhalt— 
baren Lage ein Ende zu machen; wir führen ihn in der Verteidigung gegen 
einen von langer Hand vorbereiteten Überfall unserer Nachbarn, der den Zweck 
verfolgt, uns aus der Reihe der Weltmächte zu streichen. Wir führen ihn, 
um uns in der Reihe der Weltmächte zu behaupten, um das Joch der eng⸗ 
lischen See- und Weltherrschaft zu zerbrechen, aber nicht, um den Engländern 
in der Stellung einer weltbeherrschenden Macht zu folgen. Wir wollen ein 
neues Gleichgewicht der Macht im Weltstaatensystem begründen. Das ist 
was anderes als das, was die Engländer unter dem europäischen Gleich— 
gewicht verstehen. Das falsche, europäische Gleichgewicht der Engländer ist 
ein trügerisches Blendwerk, das wir sattsam durchschaut haben; es ist lediglich 
ein Muͤtel zur Weltherrschaft Englands. Das wahre Gleichgewicht unter den 
Weltmächten schließt die absolute Seeherrschaft einer Macht aus und stellt 
den alten Grundsatz der Freiheit des Weltmeeres wieder her. Daß es auch 
einen höheren ethischen Wert hat als die englische Weltherrschaftsidee, das 
liegt für jeden auf der Hand, der in der Möglichkeit des freien Wettbewerbs 
aller Völker ein höheres Ideal sieht, als in der Befriedigung der nationalen 
Selbstsucht eines einzelnen Volkes, das seine eigene Wohlfahrt als Zweck und 
Ziel der Weltgeschichte betrachtet. 
In 
29. Die Säulenoroönungen der griechischen Baukunst. 
Wilhelm Lübke, Grundriß der Kunstgeschichte, Stuttgart EEbner und Seubert)s, 1879, I, S. 106 (gekürzt). 
(Mit 3 Abbildungen.) 
Strenge Gebundenheit, einfach klare Gesetzmäßigkeit bezeichnet in 
Gliederung und Formbildung den dorischen Bau. Die unbedingte Herrschaft, 
die hier das Allgemeine über das Besondere ausübt und im staatlichen Leben 
die völlige Unterordnung des einzelnen unter die Bedingungen der Gesamtheit 
fordert, spricht sich selbst an der Gestalt der Säulen augenscheinlich aus. 
Die Dorier geben der einzelnen Säule keinen Fuß, vielmehr dient der 
gesamten Säulenreihe die obere Platte des Unterbaues zu gemeinsamer Basis. 
Am Schaft erkennt man die mächtig aufstrebende und stützende Kraft aus der 
starken Anschwellung und Verjüngung?), sowie an den Hohlkehlen?), die, in der 
Regel zwanzig, den Stamm umgeben und in scharfen Kanten zusammenstoßen. 
Alles ist hier nach innen vereinigte, energisch aufstrebende und stützende Kraft, 
nichts von der runden Oberfläche ist stehen geblieben. Kurz und stämmig 
erreicht der Schaft gewöhnlich nur eine Höhe von 5142 unteren Durch— 
messern, und der Abstand der Säulen hält durchschnittlich 19)2 Durchmesser. 
MGeibel, Deutschlands Beruf. (S Lesebuch II. S. 440) —) Dünnerwerden 
— 5) Hohlkehle: halbkreisförmige Rinne. 
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