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ungeteilte Mächtigkeit des dorischen, sondern wird, obwohl in ganzer Höhe 
aus einem Steine bestehend, scheinbar aus drei, auch wohl nur aus zwei nach 
oben übereinander vortretenden Streifen zusammengesetzt, wie denn auch sein 
Abschluß aus Perlenschnur mit blattgezierter Welle besteht, der noch ein 
krönendes Glied zur Bezeichnung der völligen Selbständigkeit auch dieses Teiles 
hinzugefügt wird. Noch entschiedenere Umgestaltung erfährt der Fries, der 
gleichmäßig aus aufrecht gestellten Steinblöcken zusammengesetzt ist und in ganzer 
Ausdehnung als Zophoros (Bildträger) mit freien bildnerischen Darstellungen 
in erhabener Arbeit bedeckt ist. Auch für ihn gibt eine blättergeschmückte 
Welle samt der verknüpfenden Perlenschnur den bestimmt ausgeprägten Abschluß. 
Über ihm springt die Hängeplatte des Kranzgesimses wie im dorischen Stile 
mit kräftiger Schattenwirkung weit vor; allein die dorischen Dielenköpfe ver— 
wandeln sich hier in eine Reihe würfelartiger, in dichten Zwischenräumen 
angeordneter Vorsprünge, die sogenannten Zahnschnitte. Giebel- und Dach— 
bildung ist im wesentlichen der dorischen gleich; nur die Traufrinne nimmt, 
wellenartig umgebogen, eine geschweifte Gestalt an, die in der Kunstsprache als 
„Karnies“ bezeichnet wird. 
Die bedenkliche Stelle der ionischen Bauweise offenbart sich in der Gestalt 
des Kapitells, das nicht wie das nach allen Seiten gleichartig entwickelte 
dorische für jeden Standort geeignet, sondern nur für die einfache Vorhalle 
gebildet war. Bei peripteralen Anlagen mußte das Kapitell der Ecksäule nach 
der regelmäßigen Ausbildung seine Vorderseite der Front zukehren und also 
durch eine Seitenansicht mit den Kapitellen der Nebenseiten in einem unerträg— 
lichen Mißklang stehen. Man half sich durch eine Täuschung, indem man dem 
Kapitell zwei aneinander stoßende Hauptseiten gab, die auf der Ecke zusammen— 
treffenden Schneckenwindungen aber in gewaltsam vorspringender Krümmung 
sich verjüngen ließ— 
In Attika erlebte der ionische Stil eine Änderung, die man treffend 
als attische bezeichnet hat. Die attische Basis zeigt eine von zwei Wülsten 
eingeschlossene, scharf eingezogene Hohlkehle, doch ladet der untere Wulst weiter 
aus und ist kräftiger gebildet als der obere. Der Säulenschaft ist wesentlich 
wie im rein ionischen Bau, nur erreicht er weniger schlanke Verhältnisse, und 
so spricht auch das Kapitell durch ein bedeutsameres Vortreten der Schnecken— 
windungen ein energischeres Leben aus. Der Oberbau hat bei den attischen 
Werken dieselben Hauptformen wie bei den ionischen, nur erscheint der Fries 
in bedeutenderer Höhe, und das Kranzgesims entbehrt der Zahnschnitte, statt 
deren die weit vorspringende Hängeplatte in ganzer Länge stark unterschnitten 
wird, so daß der vordere, tiefere Rand das krönende Wellenglied des Frieses 
verdeckt. 
Endlich ist noch der korinthischen Bauweise zu gedenken, die jedoch nicht 
als selbständige Gattung neben der dorischen und ionischen sich geltend macht, 
sondern nur als spielende, einer späteren Zeit entsprungene Abart beider zu 
bezeichnen ist. Während die wesentlichen Grundelemente des baulichen Gerüstes 
dem ionischen Stile entlehnt werden, bildet sich nur für das Kapitell eine 
eigentümliche, neue Form aus. Das Allgemeine, Charakteristische dieser Form 
ist die schlanke, kelchförmige Gestalt des Ganzen. Diese wird mit mehreren 
Reihen von Blättern umkleidet, die aufrecht stehend und nach außen umgebogen 
mit der Spitze sanft überschlagen. Für die Blätter wird meistens das zierliche,
	        
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