der diese Mischungen in aller neueren Poesie verwarf und überall die rein 
gehaltenen Gattungen, wenn er sie auch nicht immer lieferte, doch immer verfocht, 
verteidigte er dies Prinzip geradezu, weil es in den Bedingungen der Zeit 
geboten war: wir hätten keine Rhapsoden mehr, noch die Welt für sie, und 
darum könne der Epiker mancher tragischen Motive nicht entbehren; wir hätten 
nicht mehr die Hilfsmittel und intensiven Kräfte des griechischen Trauerspiels 
und die Vergünstigung, die Zuschauer durch sieben Stücke zu führen, darum 
brauchten wir die epische Breite der Neueren. 
49. Cuowig AUhlanoö. 
Heinrich von Treitschke, Historische und politische Aufsätze, Leipzig (Hirzel), 1866, S. 288 (Gekürzt). 
Als Chamisso in Paris im Jahre 1810 den dreiundzwanzigjährigen 
Uhland kennen lernte, schrieb er mit seiner liebenswürdigen Laune einem 
Freunde: „Es gibt vortreffliche Gedichte, die jeder schreibt und keiner liest; 
doch hier ist einer, der macht Gedichte, die keiner schreibt und jeder liest.“ 
Und langsam, aber einmütiger von Jahr zu Jahr begann die Nation in das 
Lob einzustimmen, als fünf Jahre später die „Gedichte“ erschienen waren. 
Den Weg zum Herzen seines Volkes hat der Dichter zuerst gefunden durch 
jene Lieder, die der Weise des alten Volksliedes so treu, so naiv nach— 
gebildet waren, wie es vordem nur Goethe verstanden. Er hat zuerst in 
weiteren Kreisen das Verständnis wiedererweckt für diese volkstümlichen Klänge, 
und wenn Eichendorff und Wilhelm Müller selbständig, unabhängig von Uhland 
ihr lyrisches Talent bildeten, so danken sie doch ihm, daß das Volk ihren 
Liedern frohbewegt lauschte. Schien es doch, als wäre die unselige Kluft 
wieder überbrückt, die heute die Gebildeten und die Ungebildeten unseres 
Volkes scheidet, als tönte der Gesang, von namenlosen fahrenden Schülern 
erfunden, unmittelbar aus der Seele des Volkes heraus. Unwillkürlich fragte 
der Hörer, ob nicht am Schlusse des Sanges ein Vers hinweggefallen sei, der 
alte, treuherzige: 
Der uns dies neue Liedlein sang, 
Gar schön hat er gesungen; 
Er trinkt viel lieber den kühlen Wein 
Als Wasser aus dem Brunnen. 
Der Gesang ist heute, wie zur Zeit der italienischen Renaissance die 
Redekunst, die geselligste der Künste. Das arme Volk liest wenig, am wenigsten 
Gedichte; fast allein durch den Gesang wird ihm das Tor geöffnet zu der 
Schatzkammer deutscher Poesie. An Kunstwert stehen Uhlands erzählende 
Gedichte seinen Liedern ohne Zweifel gleich; aber die Bedeutung des Mannes 
für die Gesittung unseres Volkes beruht vornehmlich auf den Liedern. Sie 
haben dem Sänger den schönsten Nachruhm gebracht, der dem lyrischen Dichter 
beschieden ist. Sie leben in ihrer leichten, sangbaren Form im Munde von 
Tausenden, die seinen Namen nie gehört, sie klingen wieder, wo immer Deutsche 
fröhlich in die Weite ziehen oder zum heitern Gelage sich scharen. Alle die 
hoffnungsvollen Anfänge freier, volkstümlicher Geselligkeit, die heute das Nahen 
einer menschlicheren Gesittung verkünden, alle die fröhlichen Fahrten und Feste 
unserer Sänger und Turner und Schützen danken einen guten Teil ihres 
poetischen Reizes dem schwäbischen Sänger; kein Wunder, daß er selber sich
	        
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