Lage der Masse. Seitdem die Landbevölkerung betteln ging, mußte man den
Soldaten bezahlen. Man hatte nur noch Legionen von Söldlingen, ein für
Geld angeworbenes stehendes Heer. Nun war für den Ehrgeiz das Feld
offen. Die Söldner wurden zum blinden Werkzeug der Usurpatoren, die sie
bezahlen konnten. So herrschten Sulla, Pompejus, Cäsar und Oktavian in
der Stadt. Ströme von Blut flossen. Sowohl Cäsar wie Sulla haben sich
Rom erobert.
Aber auch diese Ehrgeizigen fanden ihr Ideal und Vorbild bei den
Griechen. Es war die aufgeklärte Despotie Alexanders des Großen, die Julius
Cäsar in Rom fortsetzte. Indem Cäsar dem Volk in Rom schmeichelte, den
Senat knebelte, erreichte er endlich das Ziel, die Monarchie.
In der Monarchie seines Erben, des Oktavian, der sich Augustus nannte,
wurde die Welt endlich zusammengefaßt wie in einem Zwinger. Die Volks—
versammlungen wurden beseitigt, der Wille des Senats für immer gebrochen.
Aber die Wohltaten der aufgeklärten Despotie begannen sogleich. Die Provinzen
wurden vor Raub geschützt, die Veteranen der kämpfenden Heere angesiedelt,
neue Reichsstraßen gezogen, neue Römerstädte gegründei, die Verwaltung trefflich
organisiert, und zum erstenmal war der Friede da, ein glänzender, ein definitiver
Friede, das augusteische Zeitalter, das goldene Jahrhundert, wie man es nannte.
Willenlos fügte sich der vornehme Römer dem so geschaffenen großartigen
Organismus als Werkzeug ein; die Plebs in Rom ließ sich füttern. Die
römische Kaiserzeit hatte begonnen, der größte Wendepunkt in der Geschichte
der alten Völker.
Nun war Rom die Welt! Wie befreiend, aber wie nivellierend) zugleich
mußte das wirken! Das römische Stadtbürgerrecht dehnte sich langfam über
den Erdkreis aus. Auch der Apostel Paulus besaß es. Also schwindet jetzt
im Reich der Gegensatz der Nationen, und es gibt zunächst keinen Landesfeind
mehr, sondern nur noch Weltbürger oder Reichsbürger, auch keinen Patriotismus
mehr, sondern nur noch Menschenliebe und Menschenhaß. Von dieser Situation
sind auch die christlichen Evangelien und ihre Lehre voll beeinflußt.
Die Hauptstadt selbst aber blieb zunächst noch der Schauplatz für alles
Geschehen. Die reiche griechische Saat ging in Rom nunmehr üppig und
herrlich auf. Von der Politik kehrt der Römer sich plötzlich ab, und nicht
mehr der Staat ist das Zentrum all seines Denkens und Wollens, sondern
das eigene Ich jedes einzelnen. Der Mensch lebt entweder seiner Leidenschaft
in frivoler Genußsucht, oder aber er vertieft seine enge Person jetzt durch
geistige Güter, durch gesteigerte Selbstkultur. Wertsteigerung des Mikrokosmos!
Hellenismus! Griechentum! Es beginnt ein enthusiastischer Kult des Schönen
und des Guten, zugleich aber ein Suchen und Sehnen nach den unsichtbaren
Küsten des Jenseits Weltreligion! Das Erste und Wichtigste war indes, daß
Rom sich endlich eine eigene Kunst, eine klassische Poesie erwarb. Gleich unter
Oktavian geschah dies. Und dabei ist es ein Etrusker gewesen, der diese
Kunstfreude in Rom durchsetzte und den Boden für sie schuf, die Stimmung
des berauschten, gottvoll sorglosen Schwelgens im Dienst des Schönen. Auch
das ist ungemein denkwürdig. Es war Mäcenas, von königlich etruskischem
Blut, der in dieser Zeit der Patron, ja, Wecker der großen Dichtkunft und
nivellieren: ebnen, gleichmachen.