I. Die Germanen vor der Völkerwanderung.
§ 1. Land und Volk der Germanen.
1. Herkunft. Unser Volk gehört zu der indogermanischen
Völkerfamilie. Diese wohnte in grauer Vorzeit irgendwo in
Asien (etwa im Quellgebiet der Flüsse Amu und Syr) und bildete
ein einziges Volk mit einer Sprache. Es gehören dazu in Asien
die Inder, die Perser und Armenier, in Europa die Griechen,
Römer und Romanen (Spanier, Portugiesen, Italiener, Franzosen),
die Kelten (Irländer u. a.), die Slawen (Russen, Polen, Serben),
die Litauer und die Germanen (Deutsche, Engländer, Skandinavier
oder Nordgermanen).
2. Einwanderung der Deutschen in die Länder zwischen
Weichsel und Rhein. Wann die Germanen aus ihren Ursitzen
über die Weichsel nach Westen gewandert sind, wissen wir nicht.
Zur Zeit Alexanders des Großen (reg. 336—323) bewohnten die
Kelten, von den Germanen Welsche genannt, den ganzen Westen
Europas bis in die Elbgegenden hin. Die zwischen Rhein und
Elbe angesiedelten Stämme wurden von den Germanen unter¬
jocht oder zogen sich vor ihnen über den Rhein und die Donau
zurück, bis die Römer den nach Westen und Süden flutenden
germanischen Stämmen einen festen Damm entgegenstellten. Das
nach den keltischen Bojern benannte Böhmen wurde erst kurz
vor Christi Geburt von den germanischen Markomannen erobert.
3. Tie Wohnsitze der germanischen Bolksstärnrne nach ihrer
Einwanderung. Die Germanen bildeten keinen einheitlichen Staat,
sondern zerfielen in eine Menge von einzelnen Stämmen, die sich
fast beständig befehdeten und oft sogar mit dem gemeinsamen
Feinde des Landes, z. B. den Römern, in Verbindung traten.
Diese Neigung der Deutschen zur Vereinzelung und Ab¬
sonderung kann geradezu als eine Eigentümlichkeit unseres
Volkes bezeichnet werden, die es im Laufe der Geschichte oft schwer
hat büßen müssen.
Rotzbach, Lehrbuch der deutschen Geschichte. 2, Aufl. 1