Full text: Auswahl aus der deutschen Dichtung in ihrer geschichtlichen Entwicklung (Teil 4a = Erg.-Bd. (Poesie))

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i. Schwank, sanct peter mit der geih. 
noch auf erben gieng Christus, 
unb auch mit im wanbert Petrus, 
eins tags aus eim borf mit im gieng, 
bei einr wegscheib Petrus anfieng: 
o herre Gott unb meister mein, 
mich wunbert ser ber güte betn, 
tüeil bu boch Got allmechtig bist 
leßt es boch gen zu aller frist 
in aller Welt gleich wie es get, 
wie Habakuk sagt, ber Prophet: 
frevel unb gewalt get für recht, 
ber gottlos übervorteilt schlecht 
mit schalkheit ben gerechten unb frommen, 
auch könn kein recht zu ent mer kommen, 
bie ler gen burcheinanber ser, 
eben gleich wie bie visch im mer, 
ba immer einer ben anbrn verschlinbt, 
ber bös ben guten überwinbt. 
bes stet es übel an alln enben, 
in obern unb in nibern stenben, 
bas sichst bu zu unb schweigest stil 
sam kümmer bich bie fach nit vil 
unb ge bich eben glat nichts an; 
küntst boch als übel unberstan, 
nemst recht in haut bie Herschaft beim 
o sott ich ein jar Herrgott sein 
unb solt ben gwalt haben wie bu, 
ich wolt auberst schauen barzu, 
fürn vil ein beßer regiment 
auf erbend) burch alle stent; 
ich wolt steuern mit meiner haut 
Wucher, betrug, krieg, raub unb braut, 
ich wolt anrichten ein rüttrig1) leben, 
ber Herr sprach: Petre, sag mir eben: 
meinst, bu woltst ie besser regieren, 
all hing auf ert baß orbinieren, 
die frommen schützn, bie bösen plagen? 
sanet Peter tet Hinwiber sagen: 
ja, es müst in ber Welt baß sten, 
nit also burch einanber gen; 
ich wolt vil beßer orbnung halten, 
der Herr sprach: nun, so must verwalten, 
Petre, bie hohe Herrschaft mein, 
heut ben tag solt bu Herrgot sein; 
schaff unb gebeut als, was bu wilt, 
sei hart, streng, gütig ober milt, 
gib aus ben Fluch ober ben fegen, 
gib schön Wetter, wint ober regen, 
bu magst strafen ober betonen, 
plagen, schützen ober verschonen, 
in summa, mein ganz regiment 
sei heut ben Tag in beiner hent. 
barmit reichet ber Herr sein stab 
Petro, ben in seine henbe gab. 
Petrus war bes gar wohlgemut, 
baucht sich ber herlichkeit sehr gut. 
in bem kam her ein armes Weib, 
ganz bürr, mager unb bleich von leib, 
barfuß in eim zerrißen kleit, 
bie trieb ir geiß hin auf bie weit, 
ba sie mit auf bie wegscheib kam, 
sprach sie: geh hin in Gottes nam, 
Gott bhüt unb bschütz bich immerbar, 
bas bir kein übel wiberfar 
von Wolfen ober ungewitter, 
wann ich kan warlich ie nit mitter2), 
ich muß arbeiten bas taglon, 
heint ich sonst nichts zu eßen hon 
baheim mit meinen kleinen kinben; 
nun ge hin, wo bu Weib tust sinben, 
Got ber bhüt bich mit seiner hent. 
mit bem bie frau wiber umbwent 
ins borf; so gieng bie geiß ir stras. 
ber Herr zu Petro sagen was: 
Petre, hast bas gebet ber armen 
gehört? bu must bich ir erbarmen, 
weil ja ben tag bist Herrgott bu, 
so stehet bir auch billig' zu, 
bas bu bie geiß nemst in bem Hut, 
wie sie von herzen bitten tut, 
unb behüt sie ben ganzen tag, 
bas sie sich nicht verirr im Hag, 
nit fall noch mög gestolen Wern, 
noch sie zerreißen Wolf noch bern, 
bas auf ben abent wiberum 
bie geiß unbeschebigt heimkum 
ber armen srauen in ir Haus; 
ge hin unb richt bie fach wol aus. 
*) ruhig. — 2) mit bir.
	        
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