Full text: Auswahl aus der deutschen Dichtung in ihrer geschichtlichen Entwicklung (Teil 4a = Erg.-Bd. (Poesie))

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Bin ich mehr als Anacreon, 
Als Stesichor vnd Simonides, 
Als Antimachus vnd Bion, 
Als Phllet oder Bachylides? 
2. Ocie. 
1. Ich empsinde fast ein Grauen, 
Daß ich, Plato, für und für 
Bin gesessen über dir; 
Es ist Zeit, hinauß zu schauen 
Und sich bey den frischen Quellen 
In den: Grünen zu ergehn, 
Wo die schönen Blumen stehn 
Und die Fischer Netze stellen. 
2. Worzu dienet das Studiren, 
Als zu lauter Ungemach? 
Unter dessen laufst die Bach 
Unsers Lebens, das wir führen, 
Ehe wir es inne werden, 
Aufs ihr letztes Ende hin, 
Dann kömpt ohne Geist und Sinn 
Dieses alles in die Erden. 
3. Hola, Junger! geh' und frage, 
Wo der beste Trunck mag seyn; 
Nimb den Krug und fülle Wein. 
Alles Trauren, Leid und Klage, 
Wie wir Menschen täglich haben, 
Eh' uns Klotho fort gerafft, 
Will ich in den süssen Saft, 
Den die Traube gibt, vergraben. 
4. Kaufte gleichsals auch Melonen, 
Und vergieß deß Zuckers nicht; 
Schaue nur, daß nichts gebricht. 
Jener mag der Heller schonen, 
Der bey seinem Gold' und Schätzen 
Tolle sich zu krencken Pflegt, 
Und nicht satt zu Bette legt; 
Ich will, weil ich kan, mich letzen. 
5. Bitte meine gute Brüder 
Aufs die Musik und ein Glaß; 
Kein Ding schickt sich, dünk mich, baß, 
Als ein Trunck und gute Lieder. 
Laß' ich schon nicht viel zu erben, 
Ey, so hab ich edlen Wein; 
Wil mit Andern lustig seyn, 
Wann ich gleich allein muß sterben. 
3. Hus „Crostgetidbte in ididcrwcrtigkcit deß Krieges". (1621.) 
Ey! ey! du werthes Land, was kanstu doch erfahren, 
Das nicht genugsam schon in diesen kurtzen Jahren 
An dir verübet sey? Wie hat dein alter Stand 
In solcher kurtzen Zeit so sehr sich umbgewand! 
5 Du wärest sonst der Marckt und Schauplatz aller Sachen, 
Dardurch ein schöner Ort sich kan beruften machen; 
Du giengest überhoch den andern Ländern für; 
Was allenthalben ist, das sahe man bey dir. 
Diß Lob ist jetzt dahin: die Kirchen sind beraubet, 
10 Die Cammern sind erschöpfst, das Gold ist auffgeklaubet, 
Viel Weiber ihrer Ehr' und Männer quit gemacht. 
Sehr vielen Kindern sind die Väter umbgebracht, 
Und nicht nur durch das Schwert; die Lufft ist schädlich worden, 
Hat auch das Feld geräumt und jämmerliches Morden
	        
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