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auffaßte, das geht aus den Versen hervor, mit denen er einige Wochen nach
seiner Niederlage einen an seine Schwester gerichteten Brief schloß. Sie
lauten:
„Ich weiß, ich bin ein Mensch, geboren nur zu Leid,
doch gegen Mißgeschick halt ich den Mut bereit. —
Und du, geliebtes Volk, du, dessen Not mich rührt,
für dessen Wohl die Pflicht mich auf das Schlachtfeld führt,
ich sehe dich bestürmt, dich von Gefahr umringt,
dein banger Hilferuf mir tief zum Herzen dringt.
Nicht acht ich Rang und Glanz für edleren Gewinn,
dich zu erretten, geb ich gern mein Blut dahin.
Ja, dir gehört mein Blut, dir nur gehört mein Leben,
mit Freuden sei's für dich zum Opfer hingegeben.
Fürs Vaterland focht ich, den Lorbeer wollt ich brechen;
ihr Krieger, auf! Es gilt, jetzt feine Schmach zu rächen.
An feiner Wälle Fuß soll nicht der Tod uns schrecken;
wir siegen — oder uns soll Staub und Trümmer decken."
Vertiefung.
Friedrich ist bisher im Kriege nie überwunden worden; er denkt kaum an die
Möglichkeit einer Niederlage. „Die Erfolge," so schreibt er nach der Schlacht bei
Kollin an den Feldmarfchall Keith, seinen guten Freund, „geben oft eine gefähr¬
liche Sicherheit." Er vertraut zu sehr auf sich und seine Kraft, auf feinen Glücks¬
stern und fein Feldherrntalent, auf die Tapferkeit feiner Truppen. Bei Kollin mußte
er es erfahren: „Glück und Glas, wie bald bricht das" — „Es kann vor Tag leicht
anders werden, als es am frühen Morgen war." Aber diese Niederlage zeigt doch des
Königs Fähigkeiten im glänzendsten Lichte. Sie lehrt uns besonders feine todesver-
achtende Tapferkeit kennen. „Dem Tod entrinnt, wer ihn verachtet, doch den Ver¬
zagten holt er ein." — „Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt." Trotzdem ver¬
zweifelt er nicht. Die Liebe zum Vaterlande, feine Sorge um Erhaltung
desselben, fein stark entwickeltes Ehrgefühl richten ihn wieder auf. Diese Eigenschaften
sprechen aus den herrlichen an feine Schwester gerichteten Versen, sie sprechen auch aus
den Worten, die er nach der Niederlage einem Freunde schreibt: „Kein Zweifel, es
gibt in der Welt viele Leute, die geschickter find als ich, und ich weiß sehr gut, wie
die Hellweger in weißen, die Sauerländer in blauen Kitteln, den Pumpernickel- und
Schinkenbeutel auf dem Rücken, den Eichenstock in der Faust, Söhne wohlhabender
Bürger und Bauern, zu Hunderten wiederholt sich auf ins entfernte Heerlager zu ihrem
königlichen Vater Fritz. Als sie so vor ihm zum erstenmal erschienen, fragte er sie:
„Woher kommt ihr?" — „Aus der Grafschaft Mark." — „Was wollt ihr?" — „Un¬
serem Könige helfen." — „Ich habe euch nicht gerufen." — „Desto besser." — „Wer
hat euch denn rekrutiert?" — „Keiner." — „Es muß euch doch einer geschickt haben?"
— „Ja, unsere Väter." — „Wo ist der Offizier, der euch geführt hat?" — „Wir haben
keinen." — „Wer hat euch denn kommandiert?" — „Wir selbst." — „Wie viele von
euch sind unterwegs desertiert?" — „Desertiert? Könnten wir das, dann wären wir ja
nicht freiwillig gekommen."
Das Adlerauge des großen Königs glänzte vor Freude beim Anblick dieser treuen
Vaterlandsföhne. „Seid mir willkommen, wackre Männer!" rief er aus. „Brave, red¬
liche Markaner, auf euch kann ich bauen." Dies königliche Wort erhielt sich wie eine
heilige Sage im Lande; es tönte fort und fort von einem Geschlecht zum andern und
lebt noch heute in der Brust eines jeden hochsinnigen Markaners an den Ufern der
rauschenden Lippe und Ruhr.