112
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. (1750—1819.)
21. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg,
geboren den 7. November 1750 zu Branistedt in Holstein, studiert in Göttingen mit seinem älteren Bruder Christian,
wird 177? bischöflich Lübectischer Minister zu Kopenhagen, 1789 dänischer Gesandter zu Berlin, 1791 Präsident zu Eutin,
legt 1800 seine Ämter nieder und tritt in Münster zur tatholischen Kirche über, stirbt zu Sondermühlen bei Osnabrück den
6. December 1819.
Werke: Oden, Lieder, Balladen, vaterländische Gedichte, Jamben, Schauspiele mit Chören, Idyllen, Übersetzungen
(Ilias, Äschhlus, Ossian), Reise in Deutschland, der Schweiz und Italien, Leben Alfreds des Großen
(1817), Geschichte der Religion Jesu Christi (1807—1818. 1» Bände), Betrachtungen der heiligen Schrift,
Leben des heiligen Vincenz von Paul (1818), ein Büchlein von der Liebe (1819), kleinere Aufsätze.
Mein Vaterland.
1. Das Herz gebeutmir! siehe,schon schwebt,
Voll Vaterlandes, stolz mein Gesang!
Stürmischer schwingen sich Adler
Nicht, und Schwäne nicht tönender.
2. An fernem Ufer rauschet sein Flug!
Des staunt der Belt und zürnet und hebt
Donnernde, schäumende Wogen;
Denn ich singe mein Vaterland!
3. Ich achte nicht der scheltenden Flut,
Der tiefen nicht, der türmenden nicht!
Mitten im kreisenden Strudel
Sänge Stolberg sein Vaterland!
4. O Land der alten Treue! Voll Muts
Sind deine Männer, sanft und gerecht!
Rosig die Mädchen und sittsam!
Blitze Gottes die Jünglinge!
5. Vom Segen Gottes triefet dein Thal,
Und Freude reift am Rebengebirg;
Singenden Schnittern entgegen
Rauscht die wankende Halmensaat.
6. Columbia, du weintest, gehüllt
In Trauerschleier, über den Fluch,
Welchen der lachende Mörder
Öden Fluren zum Erbe ließ;
7. Da sandte Deutschland Segen und Volk;
Der Schoß der Jammernden gebar,
Staunte der schwellenden Ähren,
Und der schaffenden Fremdlinge!
8. Nach fernem Golde dürstete nie
Der Deutsche; Sklaven fesselt' er nicht!
Immer der Schild des Verfolgten
Und des Drängenden Untergang.
9. Ich bin ein Deutscher! (Stürzet herab.
Der Freude Thränen, daß ich es bin!)
Fühlte die erbliche Tugend
In den Jahren des Kindes schon.
10. Von dir entfernt weih' ich mich dir
Mit jedem Wunsche, heiliges Land!
Grüße den südlichen Himmel
Oft, und seufze der Heimat zu!
11. Auch greifet oft mein nerviger Arm
Zur linken Hüfte; manches Phantom
Blutiger Schlachten umflattert
Dann die Seele des Sehnenden.
12. Ich höre schon der Reisigen Ruf
Und Kriegsdrommete! sehe mich schon.
Siegend, im blutigen Staube
Rühmlich sterben fürs Vaterland.
Der Harz.
1. Herzlich sei mir gegrüßt, wertes Cheruskerland!
Land des nervigen Arms und der gefürchteten
Kühnheit, freieres Geistes,
Denn das blache Gefild umher!
2. Dir gab Mutter Natur aus der vergeudenden
Urne männlichen Schmuck, Einfalt und Würde dir!
Wolkenhöhnende Gipfel,
Donnerhallende Ströme dir!
3. Im antwortenden Thal wallet die goldene
Flut des Segens, und strömt in den genügsamen
Schoß des lächelnden Fleißes,
Der nicht kärglich die Garben zählt.
4. Schafe weiden die Trift; auf der gewässerten
Aue brüllet der Stier, stampft das gesättigte
Roß; die bärtige Ziege
Klimmt den zackigen Fels hinan.
5. Wie der schirmende Forst deinen erhabenen
Nacken schattet! er nährt stolzes Geweihe dir!
Dir den schnaubenden Keuler,
Der entgegen der Wunde rennt!