Object: [Band 1 = Unterstufe, [Schülerband]] (Band 1 = Unterstufe, [Schülerband])

236 
Der Storch betrachtete die Kleine aufmerksam, dann klap¬ 
perte er freudig mit dem Schnabel und sprach: „Ei, Herr 
Wode, freilich kenne ich das Kind, habe ich es doch selbst vor 
vier Jahren in das Grafenschloß getragen." 
„Wohlan," sagte der Mann, „so bringe es noch einmal 
dahin." 
Der Storch wiegte den Hals bedenklich hin und her. „Das 
wird ein schweres Stück Arbeit," meinte er. 
„Es muß sein," sprach der alte Mann. „Hast du nicht 
schon oft Zwillinge und sogar Drillinge in deinem Schnabel 
getragen? Frisch ans Werk, oder wir sind am längsten Freunde 
gewesen." 
„Ja, wenn Ihr befehlt, so muß ich gehorchen," entgegnete 
der Storch unterwürfig und faßte das Kind mit dem Schnabel 
am Gürtel. 
„Aber mein Kettlein, mein Schleier und meine Haube," 
mahnte Trndchen in klagendem Ton. 
„Die sollen meine Raben den bösen Tieren wieder ab¬ 
nehmen und dir nachbringen," tröstete der Alte. „Meister 
Storch, mach' deine Sache gut!" 
Der Mann nickte Trndchen freundlich zu, und im nächsten 
Augenblick fühlte sie sich emporgehoben, und der Storch trug 
sie durch die Lust. 
Hei, das ging schnell wie der Wind. Trndchen schaute in 
die Tiefe, da lag der Wald unter ihr wie ein Gartenbeet mit 
krauser Petersilie. Dann verging ihr Hören und Sehen. 
Als Trndchen wieder zum Bewußtsein erwachte unb die 
Augen aufschlug, lag sie im Gras des Schloßgartens, und Frau 
Ursula stand vor ihr und sprach scheltend: 
„Kind, Kind, hier im feuchten Gras zu liegen und einzu¬ 
schlafen! Wenn du nun den Schnupfen kriegst, so heißt's wieder: 
die alte Ursula gibt auch gar nicht acht auf das Kind — und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.