Full text: Deutsches Lesebuch für die oberen Klassen höherer Schulen

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die Weideländer der Herden zwischen den Morästen und Sümpfen und stehenden 
Wassern. Die Frühlingszeit in den pontinischen Sümpfen kann den reisenden 
Deutschen wohl zauberisch in seine Heimat versetzen; aber in der Fieberzeit des 
Sommers ist ihm geraten, sie auf dem Wege von Rom nach Neapel auf das 
schnellste zu durchfliegen. Dieses Campo morto des Italieners ist nur das Pa¬ 
radies der Büffel, die in zahlreichen Herden sich in seinem Schilfe wälzen. Nur 
den halb verwilderten Herden der Tiere bringt diese Region Gedeihen. Doch 
auch sie würden vielleicht bei Übersommerung in diesen Gebieten zu Grunde 
gehen. Alles wandert dann aus. Die Wenigen, die zum Bleiben genötigt sind, 
schleichen vom Sumpffieber abgezehrt umher. Kein Reisender wagt sich in den 
Monaten Juli und August in die Maremmen. Den kühlen Teil des Jahres ist 
kein Land reicher an Herden und Hirten, als dieses patriarchalische Hirtenland, 
wie Kanaan, Gilead und Basau. Herdenwirtschaft im größten Stil ist hier der 
einzige Reichtum des Grundbesitzers. Er verpachtet Weide für Rinder, Pferde, 
Ziegen, Schafe, zahllose Büffel und sparsame Kamele. Diese zahlreichen halb¬ 
verwilderten Scharen werden von ebenfalls halbverwilderten, ritterlich ausge¬ 
rüsteten Hirtengruppen gehütet, die zu Pferd, mit Lanzen bewaffnet, in lederner 
Rüstung, eher Mongolen als Europäern ähnlich, die Einöden und Wildnisse 
durchziehen. Sie bilden die Schule der Briganten, die sich leicht vom Gebirge 
zu ihnen gesellen und in den schwer zugänglichen Sumpfstrecken ihre Asyle finden. 
Die Hirten selbst sind Fremdlinge in den Ebenen. Von Armut genötigt steigen 
sie als Hüter fremder Herden herab von dem Apennin aus Umbrien, dem Sa¬ 
binerlande, den Abruzzen und andern Gebieten früherer Kriegergeschlechter, um 
die kalte Jahreszeit des Hochgebirgs zu umgehen und in der milderen Ebene 
im Herbst, Winter und Frühjahr in den Maremmen ihr Brot zu verdienen. 
Mit der anrückenden heißern Sommerzeit steigen sie wieder auf den kühlen 
Apennin hinauf. 
Noch eine vierte Region könnte man unterscheiden, die des Hochgebirgs. 
Sie ist es, zu der die Hirten aus den Maremmen emporsteigen. Das Hochge¬ 
birge des Apennins trägt den klimatischen Charakter des Nordens. Es ist von 
dürren, nackten Heiden überzogen, auf denen die Merinoherden noch ihre aro¬ 
matischen Kräuter finden. Hier ist kein Anbau. Auf den oft unzugänglichen 
Höhen, die außerhalb alles Verkehrs, aller Kultur liegen, kann der Grundbe¬ 
sitzer nur von der Verpachtung seiner trockenen Anger an das Schäfervolk leben. 
Der Bewohner kann sich von der Frucht des Kastanienbaums nähren, welcher, 
die Stelle der deutschen Buche vertretend, hier die Hauptnahrung der Menschen 
und Tiere bietet. Denn der Kastanienwald steigt bis zu dem Hochrücken des 
Apennins in üppigster Fülle empor. Er bereichert auch durch Holzschlag. Wenn 
Plinius die Waldungen als Charakter Deutschlands im Gegensatz zu Italien 
hervorhob, dessen tiefern Landschaften sie auch heute noch nur sehr sporadisch 
zugeteilt erscheinen, so bilden die Apenninenhöhen dort, wo Kastanienwald sie 
bedeckt, eine Ausnahme. Nur die höchsten Gipfel überragen die Waldung. 
Diese Hochregion kann nur wenig bevölkert sein. Wo sie es mehr ist, muß die 
jährliche Auswanderung nach den Tiefen vor Hungersnot schützen. 
Die Küste von Neapel, 
von Heinse. 
Als die Dämmerung einbrach, fuhren wir sacht am Ufer hin. Die Gegend 
verschwamm sanft in Abendlust, und eine frische Kühlung stieg aus den leise
	        
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